Es gibt Restaurants denen merkt man an, dass sie gezielt auf einen Stern hingearbeitet haben und es gibt die, die einfach ihr Ding machen und irgendwann eine Belohnung für ihre gute Arbeit bekommen. Das Genuss-Atelier in Dresden macht den Eindruck zur zweiten Kategorie zu gehören.
Es ist ein kühler Abend im November als wir zu viert den Weg von der Dresdener Neustadt in die Radeberger Vorstadt laufen. Es geht vorbei an schicken Villen und immer wieder blitzt die Elbe hervor. Am richtigen Haus angekommen, geht es in den Keller, in dem sich seit 2014 das Genuss-Atelier der Geschwister Marcus & Nicole Blonkowski befindet.
Das warme und weiche Topinambur-Mousse hilft dabei, die Kälte von draußen abzuschütteln.
Im Keller ist es warm und gemütlich. Die Räume sind verwinkelt aber erstaunlich hell.
Wir richten uns ein und bewundern die Besteckschubladen, die an jedem Platz in den Tisch eingebaut sind. In ihnen befindet sich das Werkzeug für den Abend. Dann diskutieren wir: Wie viele Gänge sollen es werden? Das Überraschungsmenü ist von vier (54€) bis acht (94€) Gängen bestellbar. Auch eine à la carte Bestellung ist möglich.
Wir sind zu viert und entscheiden uns für sieben Gänge. Dass drei von uns vegetarisch essen möchten, haben wir vorab per Mail angekündigt. Das Fleisch-Menü haben wir ohne Fisch bestellt. Ich weiß, dass so viele Sonderwünsche nicht immer gut ankommen und bin froh, dass es zumindest nach außen hin kein Problem darstellt. Ganz insgesamt ist der Service über den Abend sehr professionell, aufmerksam und auf Augenhöhe.
Ich sag’s, wie’s ist. So ein Keller ist ja nett, aber zum fotografieren definitiv zu dunkel.
Zum Menü wählen die meisten von uns die Weinbegleitung. Die uns mit dem Versprechen lockt, aus sächsischen Weinen zu bestehen. Spannend, denn damit kennen wir uns nicht aus. Wir sind im Laufe des Abends positiv überrascht von den Weinen. Eine alkoholfreie Getränkebegleitung gibt es nicht und ich bleibe bei Wasser und der leckeren Pflaumen-Tonkabohne-Limonade.
Die Gerichte im Genuss-Atelier werden nicht mit sonderlich exotischen Zutaten zubereitet. Die Betreiber teilen den Slow Food Gedanken und nutzen lieber das, was in der Region zur jeweiligen Saison zu finden ist. Wie als Beweis erhalten wir als Gruß aus der Küche ein Topinambur-Mousse. Diese kartoffelähnliche Knolle haben wir erst vor Kurzem selbst in unserem Garten aus dem Boden gebuddelt. Jetzt wünsche ich, dass auch ich in der Lage wäre, daraus ein so cremiges warmes und wohliges Gericht zu kochen, wie es uns hier serviert wird.
Dazu trinken wir einen schönen Riesling Sekt von der Sektmanufaktur Perlgut aus Meißen.
Ihr wisst es mittlerweile: Mit Sellerie kriegt man mich immer.
Weiter geht der Abend mit der gefälligen Kombination von roter Bete und Ziegenkäse und erreicht dann ein weiteres Highlight mit einem Gericht aus verschiedenen Kohlsorten, Mandeln, Äpfeln und einer bemerkenswerten Sauce auf Rotkohlbasis. Wir schwelgen am Tisch in Fantasien diese reichhaltige und kräftige Sauce zum nächsten Familienessen mit nach Thüringen zu nehmen und Klöße darin zu baden. Hach, das wäre schön! In der Zwischenzeit dippen wir allerdings auch sehr gerne den Weiß- und Rosenkohl hinein.
Auch das nächste Gericht gefällt uns sehr. Serviert wird ein pochiertes Ei auf Spinat mit einer cremigen hollandaise-ähnlichen Soße und kleinen Kartoffelpüree-Drops. Darauf gibt es optional eine schöne Portion Trüffel. Auch hier gilt, dass mit diesem Gericht sicherlich nicht das Rad neu erfunden wurde. Es schmeckt allerdings einfach sehr gut.
Auch am Winter lässt sich positives finden, Rote Bete zum Beispiel.
Wartet ihr darauf, dass das Eigelb so wunderbar auf den Teller strömt? Tja, das habe ich leider nicht fotografiert.
Das finde ich nicht gut gelöst, denn für mich ist der Austausch über das Essen ein wichtiger Bestandteil eines solchen Abends. Das funktioniert weniger gut, wenn am Tisch nacheinander die gleichen Speisen gegessen werden. Tatsächlich hätte ich mich in diesem Fall gefreut, wenn wir ebenfalls das Pastinakengericht bekommen hätten und der Fasan einfach gefehlt hätte oder ein Ersatz gefunden wäre. Zumindest im direkten Vergleich hatte ich das Gefühl, dass im vegetarischen Menü die Hauptspeise gefehlt hat.
Trotz dieses kleinen Kritikpunktes waren die drei Desserts sehr erfreulich. Besonders das letzte Gericht, das aus einem Pflaumenwindbeutel und karamellisiertem Popcorn im Pflaumenmantel bestand, war sehr nach meinem Geschmack.
Dieses karamellisierte Popcorn würde ich zukünftig auch gern im Kino essen.
Ganz insgesamt hat sich der Abend im Genuss-Atelier nicht angefühlt wie klassisches Fine Dining. Es war eher ein sehr guter und sehr leckerer Abend in einem tollen Restaurant. Ich hätte keine Hemmungen Omas, Eltern oder Geschäftspartner:innen mit hierher zu nehmen, denn ich müsste nicht befürchten, dass Kombinationen zu extravagant oder Zutaten zu exotisch ausfallen würden. Abgesehen davon, ist das Preis-Leistungsverhältnis extrem gut.
Massentauglichkeit ist vielleicht nicht das, was sich mancher bei einem Sternerestaurant wünscht, aber eigentlich zeigt es ja nur auf, dass man hier einfach sehr lecker essen gehen kann. Ohne viel Schischi und dafür nach dem Essen mit einem Lächeln den gemütlichen Keller verlässt, um glücklich ins Bett zu fallen.
Infos in Kürze:
Das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Genuss-Atelier hat Dienstag bis Samstag von 17 – 23 Uhr und am Samstag zusätzlich von 12 – 15.30 Uhr geöffnet.
Mehr Infos gibt’s hier: https://www.genuss-atelier.net/
- Gaumenwertung 7,8/10
- Gesamterlebnis 7,9/10
„Fabelhaft, ein tolles und besonderes Menü!“
DETAILIERTE BEWERTUNG
Mira |
Flo |
Mira&Flo |
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Gaumen | 7,5/10 | Gaumen | 8,0/10 | Gaumen | 7,8/10 |
Getränke | Getränke | 8,5/10 | Getränke | 8,5/10 | |
Atmosphäre | 7,5/10 | Atmosphäre | 9,0/10 | Atmosphäre | 8,3/10 |
Service | 7,5/10 | Service | 7,5/10 | Service | 7,5/10 |
Gesamterlebnis | 7,5/10 | Gesamterlebnis | 8,2/10 | Gesamterlebnis | 7,9/10 |