Ein ganzes Menü nur mit Desserts! Das klingt wie ein wahrgewordener Kindertraum, fühlt sich dann aber in der Realität doch ziemlich erwachsen an. 7 Gänge Dessert Fine Dining ist das, was das CODA in Berlin verspricht und wofür es mittlerweile mit 2 Michelin Sternen ausgezeichnet ist.

Wie könnte so ein Dessert-Restaurant aussehen? Rosa, mit zuckergussartigen Jugendstil-Möbeln, zuckerwatteweichen Kissen und schokoladenbraunen Akzenten. Oder eben so wie das CODA: Eine graffitibeschmierte Fassade in Neukölln, innen graue Vorhänge, die keinen Blick hinaus (oder hinein) zulassen, eine Bar im Zentrum, dahinter die offene Küche. Alles in grau und schwarz. Die Beleuchtung ist schummrig und nur die wenigen Tische werden mit einzelnen Spots beleuchtet. Es läuft dezente Elektromusik. Hier können mächtige Sahneberge mit bunten Früchten unbehindert leuchten! Oder eben nicht, denn auch die Desserts sehen deutlich zurückhaltender aus, als es in einer alternativen Realität der Fall sein würde. Das CODA ist nicht zuckerbunt und aufgedreht, es ist zurückhaltend und nutzt lieber den Eigenzucker der Roten Bete, statt raffinierten Zucker hinzuzufügen.

Spätestens wenn erklärt wird, dass nicht alle Desserts süß sind, ist klar, dass hier alles ein bisschen anders ist, als meine ersten Assoziationen es mir nahegelegt hatten. Und es gefällt mir gut, richtig gut.

Kleiner Spoiler: Wir haben alles aufgegessen.
Das CODA gibt es in dieser Form seit 2016, 2019 kam der erste Stern, 2020 der zweite. Das Konzept, das erstmal ein bisschen verrückt klingt, hat sich mittlerweile in der Szene etabliert und sorgt nachhaltig für Begeisterung.

Um das vorwegzugreifen: Ich war schon länger nicht so begeistert von einem Restaurantbesuch, wie von diesem. Denn ich mag es zu experimentieren und ganz neue Geschmäcker und Kombinationen kennenzulernen, doch im letzten Jahr war ich manchmal genervt, davon, dass bestimmte Gerichte offenbar trenden und plötzlich überall zugleich zu finden sind (Chawanmushi überall!) oder die Experimente so wirken, als würden sie nur um des Experimentes Willen auf die Karte kommen. Manchmal hatte ich das Gefühl mit meinem Menüpreis eher an einem Crowdfunding für Küchenexperimente teilzunehmen, als dass es so richtig Sinn ergab, was da auf dem Teller landete. Find ich auch okay, aber eine andere Art von Menü war auch mal wieder schön.

Nun zurück dazu, warum ich es im CODA so toll fand: Hier war so viel neues dabei UND es war köstlich. Konsistenzen waren fantastisch kombiniert, Geschmäcker zusammengebracht, Zutaten verwoben, die es nicht vermuten lassen, Herstellungsprozesse ausgefeilt und die Ergebnisse waren nicht nur spannend, sie waren auch lecker. Richtig lecker! Es waren Geschmacksexplosionen, die mich überrascht und begeistert haben.

Das alles geschah in sieben Gängen, die durch vier weitere Snacks ergänzt wurden. Zu den einzelnen Gerichten wird eine Getränkebegleitung angeboten, die sich auch sehr von dem unterscheidet, was ich bisher kannte. Statt Wein, Kombucha oder Gemüsesaft ist eine Art Mini-Cocktail jedem Teller zugehörig. Oft sind es verdünnte und vermischte Schnäpse, die die Geschmäcker des Tellers nicht nur gut unterstützen, sondern eigene Akzente hinzufügen. Für mich ganz angenehm: Die Alkoholmenge hält sich trotzdem in Grenzen. Wer mehr will, kann sich dazu noch etwas anderes bestellen. Spezialisiert ist die Getränkeauswahl auf deutschen Riesling, Schaumwein aus der Champagne und Sake. Das wird also auch nicht langweilig.

Anders als sonst führe ich dich heute nicht chronologisch durch unseren Abend, sondern stelle dir kurz das Menü und etwas ausführlicher meine persönlichen Highlights vor:

Gummibärchen CODA

Gesunde Gummibärchen oder so.

Churros CODA

Kleine herzhafte Churros.

Gummibär: aus reduzierter Rote Bete
Churro: Herzhaft und mit Miso-Dip

Kopfsalat CODA

Ein zerbrechliches kleines Kunstwerk.

Sieht nicht so fettig aus wie es schmeckt.

Kopfsalat: ein knuspriges Schälchen aus getrocknetem und kandiertem(?) Kopfsalat, das mit Frischkäse gefüllt und mit einem Pulver aus Salzgurken bestreut ist. Wunderbar! Knusprig, cremig, salzig, süß- hier ist echt alles dabei!

Beefcake: ein kleines Gebäck aus Rindermark und Mandeln

Grapefruit Mascarpone CODA

Eins meiner Highlights.

Grapefruit, Mascarpone, Wirsing, Thymian: Der Thymian wird vor dem Essen in unsere Hände gesprüht und duftet so herrlich kräuterig, wie Thymian eben duftet, im Sommer, wenn er schön aufgewärmt in den Fingern verrieben wird. Dann kommt eine kalte Schüssel dazu, an deren Seite stückige Mascarpone klebt, die mit erstaunlich süßen Wirsingflakes vermischt ist. Am Boden der Schüssel befinden sich einzelne Grapefruit-Kammern – oder wie nennt man diese kleinsten Teile einer Zitrusfrucht überhaupt? Ich erahne den Aufwand, diese so akkurat auszulösen, nur grob.

Jedenfalls ergibt das hier, ähnlich wie beim Kopfsalat, eine fantastische Kombination der Konsistenzen in meinem Mund. Durch die Grapefruit kommt eine schöne Säure und ganz leichte Bitterkeit, die das Gericht noch spannender machen. Außerdem ploppen die Kämmerchen auf wie fruchtiger Kaviar. Meine Begleitung wünscht sich dieses Gericht ab jetzt bitte zum Frühstück und ich würde mich diesem Wunsch gern anschließen. Es ist nicht süß, es ist alles. Dazugehörig wird ein Pomeranzengeist mit einem Lavendelgeist und Muskateller Verjus serviert.

Dulse Alge Speckalge

Ich habe das Gefühl, dass Algen noch viel zu selten verwendet werden.

Buttercreme, Zwetschge, Walnuss, Dulse Alge: Dieses Gericht sieht aus wie ein Dessert, wären die Flakes, die es krönen nicht grün und offensichtlich eine Alge. Die Dulse Alge, auch Speckalge genannt, verleiht diesem köstlichen Zwetschenküchlein eine herzhafte Note, die noch von der Miso-Buttercreme darunter bestärkt wird. Richtig schön wird es, wenn man auf eine karamellisierte Walnuss beißt und dann noch ein Stück der süßen Zwetschge auf der Gabel hat. Einfach toll!

Raclette Waffel CODA

So fluffig!

Kimchipulver möchte ich zu Hause auch mal herstellen.

Raclette Waffel, Kimchi, Joghurt: Eine mit Raclettekäse gefüllte fluffige Waffel aus Maismehl mit einem Dip aus abgehangenem Joghurt, der mit spicy Kimchipulver bestäubt ist. Dazu eine Mixtur aus Berliner Weisse, Aquavit, Dill Geist und Birne.

geeiste Moosbeere Coda

Sieht ausnahmsweise aus wie ein Dessert!

Geeiste Rote Bete, Moosbeere, Tofu: Die geeiste Rote Bete ist das Vehikel in dem sich cremige Tofucreme und einige doppeltgebackene Kuchen-Croûtons befinden. Oben drauf: hauchdünne, knusprige Bete-Flakes und kleine Kügelchen aus Bete, Wermut und Moosbeere. Auch schon wieder ein hinreißendes Zusammenspiel.

Menü im Coda 2023

Sellerie, noch ohne Loch im Deckel.

Der berühmte Popsicle.

Cironé Cheesecake, Kaffee, Sellerie: Wie ein Eisangler hackt man ein kleines Loch in einen Selleriechip, der sogleich mit einer Kaffeesoße aufgegossen wird. Dazu ein Getränk aus Sherry, Mirin und Shiso Shochu.

Caviar Popsicle: Das Signature Dish von René Frank und ein dazubuchbarer Extrabestandteil des Menüs. Topinambur-Eiscreme, mit Vanille und Pecannuss, die mit 12 Gramm Kaviar verziert ist. Ein wilder Ritt durch Süße und Salzigkeit. Ein bisschen wie Karamell mit Salz für Fortgeschrittene.

Essen im Coda

Gelb, braun, beige sind alle meine Desserts.

besonderes Menü in Berlin

Ein bisschen klassischer und auch sehr lecker.

Süßkartoffen, Schmand, Apfel, Shiitake.

Cacao und Crispy, Kirsche, Sojamilch: Das Ende des Menüs gleicht am ehesten einem klassischen Dessert und auch die Kombi von Kirsche und Schokolade ist gängig. Doch allein die Tatsache, dass die Schokolade im Restaurant von der Bohne bis in diese Form gebracht wird, ist beachtlich und lecker ist es allemal. Die Schokolade hat eine ganz eigene Süße und hat besondere Geschmacksnuancen.

Schokolade im CODA

Die Schokoladenvielfalt zum Schluss.

Chocolate: Jetzt gibt’s noch ein paar Berti Bots Bohnen für Experimentierfreudige. Rote Bete umhüllt von weißer Schokolade, schokoliertes Wagyufett, Haselnuss mit saurem Sojabohnenpulver – auch hier wird es nochmal richtig spannend.

Zum Abschied bestelle ich noch eine im Restaurant von Grund auf selbsthergestellte heiße Schokolade. Sie ist super cremig, wenig süß und sehr schokoladig – beziehungsweise ist sie so, wie Dinge, die schokoladig sind wahrscheinlich eigentlich schmecken sollten. Eine schöne Erfahrung zum Schluss. Der Besuch im CODA war etwas sehr Besonderes für mich und hat mir richtig viel Freude bereitet. Mit meiner Gute-Nacht-Schokolade im Bauch kann ich jetzt glücklich und zufrieden ins Bett gehen.

Infos in Kürze:

Das CODA ist in der Friedelstraße 47 in Berlin zu finden. 
Ab dem 18. April 2023 verändert sich das Konzept und es gibt nur noch ein Seating am Abend. Dieses startet jeweils um 19 Uhr und umfasst 15 Gerichte.

Mehr Infos: CODA Website 

  • Gaumenwertung 9/10
  • Gesamterlebnis 8,8/10
„Sensationell, wir wollen nicht aufhören zu essen!“

DETAILIERTE BEWERTUNG

Mira
Flo
Mira&Flo
Gaumen 9,0/10 Gaumen 9,0/10 Gaumen 9,0/10
Getränke 10,0/10 Getränke 10,0/10 Getränke 8,5/10
Atmosphäre 7,0/10 Atmosphäre 7,0/10 Atmosphäre 7,0/10
Service 10,0/10 Service 9,5/10 Service 9,8/10
Gesamterlebnis 9,1/10 Gesamterlebnis 9,1/10 Gesamterlebnis 8,8/10