Die schroffen Hänge der Julischen Alpen sind am Horizont zu sehen. Davor Berge, alle dicht und grün bewaldet. In den Tälern sprießt das Moos und zwischen zerklüfteten Felsen rauscht mundspülungsfarbendes Wasser durch Flussbetten aus Kies. Märchenhaft und unwirklich. So ähnlich sieht die Umgebung der Hiša Franko aus – dem wohl bekanntesten slowenischen Restaurant. Hier kocht Ana Roš, die 2017 zur besten Köchin der Welt gekürt wurde. Wie so viele andere, kennen wir Ana Roš aus der Netflix Serie „Chef’s Table“ in der in vielen schönen Bildern die Geschichte ihres Restaurants und ihres Lebens erzählt wird. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie toll ich die Folge damals fand. Ich war beeindruckt von der Frau, die ihren sicheren Job als Diplomatin hinwarf, sich selbst das Kochen beibrachte und mit ihrem Mann ein einfaches Landrestaurant in einen Ort verwandelte, der die slowenische Küche revolutionierte. Ana Roš nimmt Rezepte und Zutaten aus der unmittelbaren Umgebung, denkt sie neu und erschafft filigrane, spannende und schmackhafte Gerichte. Sie ist sehr naturverbunden, nutzt die Ressourcen der Umgebung, ist allerdings auch weltoffen und interessiert und verwendet Zubereitungsarten und Methoden aus der ganzen Welt.
View of Hisa Franko

Hier gibt’s den Aperitif. Lässt sich aushalten. Foto: Martin Rommeis

Schon bei der Anreise stellt sich das „Fäviken-Gefühl“ bei mir ein: Wir lassen die Stadt hinter uns und fahren immer weiter aufs Land. Die Berge werden höher, die Wälder dichter. Wir sehen Wasserfälle und kleine Bergdörfer – viele der Häuser haben eigene Gemüsegärten, in denen die saftigen Früchte bunt durch die Blätter leuchten. Wir machen mehrere Stopps und bewundern die wilde Landschaft. Slowenien ist zauberhaft. Als wir so weit gefahren sind, dass es schon gänzlich unrealistisch erscheint, gleich in eines der besten Restaurants der Welt zu gehen, sind wir da. Wir machen noch einen Stopp an einem Fluss mit Badestelle und sehen sie dann zum ersten Mal: die Hiša Franko.
Mira Held How to Gourmet Blog

Cheers! Auf einen schönen Abend.

Florian Held How to Gourmet

Schon die Aperitif-Karte macht Lust auf das Menü. Foto: Martin Rommeis

Das Restaurant liegt an einer schönen Allee, die sich im Tal befindet. Von der Straße sieht es ziemlich unscheinbar aus. Ein paar Schirme und seltsame grüne Stühle stehen draußen auf der Wiese. Als wir später zusammen mit unseren Freunden wiederkommen (die Übernachtungsplätze im Restaurant waren schon ausgebucht), erwarten uns schon mehrere Angestellte im Designer-Dschungeloutfit auf dem Parkplatz. Wir werden freundlich empfangen und für einen Aperitif auf die Wiese gesetzt. Wir trinken Kombucha, Champagner und Whisky Sour, stoßen an und bewundern das Panorama. Hinter einem Zaun hören wir die Forellen im Wasserbecken. Zum Start des Menüs werden wir in einen von mehreren Gasträumen geleitet. Die Hiša Franko ist relativ groß. Wir haben Glück und können von unserem Platz weiterhin die Berge sehen – es ist ein lauer Sommerabend und die Glasfront bleibt geöffnet. Geschützt werden wir durch ein gewaltiges Mückennetz.
Hisa Franko

Eine Praline, die mit Tomatenwasser gefüllt ist. Vom Gefühl her wie eine Schnapspraline, nur ganz anders. Foto: Martin Rommeis

Das Serviceteam ist sehr international und uns wird erklärt, dass die Angestellten ihre Einflüsse in das Menü einbringen. Die Hiša Franko bleibt regional, aber ist gleichzeitig weltoffen. Das aktuelle Menü verarbeitet die Corona Zeit, in der nicht gereist werden konnte. Zutaten regionaler Kleinsthersteller werden verwendet, doch es wird von der großen weiten Welt geträumt – manifestiert in den Arten der Zubereitung. Bevor das Menü startet, bestellen wir zwei Mal die alkoholfreie Getränkebegleitung und zwei Mal die klassische Weinbegleitung. Als dritte Auswahl hätte es eine Begleitung gegeben, die sich auf Orange Wine konzentriert – eine große Sache in Slowenien. Pro Tisch muss man sich für eine Art der Weinbegleitung entscheiden. Das Menü beginnt mit Fingerfood: Ein Taler aus Sellerie, Milchhaut und brauner Butter, gespickt mit Trüffelscheiben und eine kleine Praline aus Rinderzungen-Pastrami, Wildkräutern und Jalapeño machen den Anfang. Dicht gefolgt von einer Praline, die mit fermentiertem Tomatenwasser gefüllt ist. Sie zerfällt im Mund und erzeugt ein lustiges Explosions-Gefühl beim Essen. Alle drei Häppchen sind sehr sommerlich und angenehm leicht. Die Schärfe der Jalapeño ist intensiv aber gerade so dosiert, dass wir auch die anderen Zutaten noch schmecken. Ein sehr feiner Einstieg.
Menü in der Hisa Franko

Wir haben dieses Mal fototechnische Unterstützung von Martin Rommeis – wir sollten ihn öfter mitnehmen, oder? Foto: Martin Rommeis

Das nächste Speisenduett zeigt, wie ähnliche Zutaten und eine ähnliche Idee zu zwei gänzlich unterschiedlichen Gerichten führen können. Erinnerst du dich an den mit Karotten gefüllten Döner, den wir vor kurzem im Tulus Lotrek gegessen haben? Auch heute steht ein Gericht auf der Karte, das sich „Carrot Kebap“ nennt. Es könnte kaum unterschiedlicher sein als die Berliner Variante. Statt im Brot kommt die halb-rohe und orientalisch gewürzte Karotte auf einem Blatt. Gegessen wird sie nicht mit der Hand in einer Soßen-Sauerei, sondern ganz clean mit einer goldenen Pinzette. Ganz anders und trotzdem lecker.

Köstlich ist auch der kleine Kartoffeltaler, der mit schwarzen Pinienkernen belegt ist. Schon jetzt ist uns klar, dass in der Küche von Ana Roš zwar gerne experimentiert wird, dass aber anders als zum Beispiel im NOMA, guter Geschmack Priorität hat.

Der nächste Gang ist so einer, bei dem schon vorher klar ist, dass er wahrscheinlich ziemlich lecker wird. Ein Mais-Beignet (vergleichbar mit einem Krapfen), der mit warmen, flüssigen Hüttenkäse und Schnittlauch gefüllt ist. Das ist richtiges Soulfood! Ich frage mich, warum herzhaft gefülltes Schmalzgebäck nicht schon längst ein Ding ist.

Herzhafter Krapfen: Beignet

Unscheinbar im Aussehen, unschlagbar im Geschmak. Gefüllter Krapfen mit Hüttenkäse und Kräutern.

Blog mit Restauranttipps

Zur Heu-Kartoffel gibt es eine intensive Pilz-Brühe.

Auf diese essbare Umarmung folgt ein Gericht mit Beigeschmack: Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine und der einsetzenden Getreideknappheit, hat Ana Roš aufgehört Brot in der Hiša Franko anzubieten. Die in Heu gebackene Kartoffel ist ihr Ersatz. Eine wichtige Botschaft und trotz allem ein sehr leckeres Gericht. Die Kartoffel wird mit Schale in einer dicken, sehr salzigen Heukruste gebacken, die wir aufbrechen, wie ein Drachenei. Dazu gibt es eine Liebstöckl-Meerrettich-Butter und eine intensive Pilz-Brühe. Simpel und sehr lecker.
Kartoffel statt Brot Hisa Franko

Parallele zum Brot: Wenn die Kartoffel gut ist, dann reicht Butter dazu völlig. Foto: Martin Rommeis

Zwischendurch kurz zu den Getränken: Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass sich Restaurants, die eine alkoholfreie Begleitung anbieten gerne auf einen Grundstoff konzentrieren. Im Kontrast in Oslo war es Tee, manchmal ist es Saft und hier in der Hiša Franko ist es Kombucha. Obwohl einige der Getränke sehr lecker sind (Feigenblatt-Kombucha oder Kaffee-Minze-Kombucha), wird es irgendwann ein bisschen viel und ich kann beim besten Willen nicht alle Gläser leeren. Ich habe nicht immer den Eindruck, dass die Getränke wirklich perfekt zum Essen passen.

Die Weinbegleitung verursacht bei uns ein ähnliches Problem: Es ist einfach ein bisschen viel. Die Weine sind hervorragend, aber zwei intensive Süßweine am Ende sind zu viel des Guten.

Jetzt aber zurück zum Menü, an dem ich wirklich gar nichts auszusetzen habe.

Chawanmuschi

Chawanmuschi ist im Trend. Schon das dritte Restaurant in Folge serviert den japanischen Eierstich – ist aber auch lecker.

Wir futtern uns durch Chawanmushi (Japanischer Eierstich, der offenbar aktuell echt im Trend ist), ein weiteres Kartoffelgericht mit Apfel und eine Portion mit Aprikose gefüllter Tortellini. Neben der an Marzipan erinnernden Süße zeichnet sich das Gericht durch einen angenehmen Rosengeschmack aus. Ein spannender süßer Hauptgang und eine schöne Abwechslung nach den sehr angenehm leichten und sommerlichen Gerichten. Die Eindrücke des Menüs sind vielfältig und abwechslungsreich. Jedes Gericht bietet neue Erlebnisse. Wir essen vieles, was wir noch nie zuvor geschmeckt oder gefühlt haben. Bei Ana Roš wird es definitiv nicht langweilig.
Tortellini mit Aprikose

Ich habe noch nie gefüllte Nudeln gegessen, die den Geschmack der Füllung so in den Mittelpunkt gestellt haben. Foto: Martin Rommeis

Während es draußen langsam dunkel wird und die Berge aus unserem Sichtfeld verschwinden, wird uns ein Tortilla mit Lamm und einer Pilz-Molé serviert – eine echte Herausforderung sich jetzt nicht mit der leckeren Soße zu bekleckern. Wir absolvieren diese Aufgabe und freuen uns, dass wir uns wohl auf die schönste aller denkbaren Arten am Tisch die Hände waschen dürfen. Uns wird ein Schälchen mit Steinen, einem Tannenzweig und Trockeneis hingestellt. Nachdem sich der Nebel langsam verzogen hat, bleibt klares Wasser, mit dem wir unsere Hände reinigen können. Laut unserem freundlichen Kellner soll uns das an einen ganz typischen Morgen im Soča-Tal erinnern. Ich sehe es quasi vor mir.

Tortilla hisa franko

Eines der besten Gerichte des Abends: Nixtamalized mountain corn tortilla, Dreznica lamb and mushroom molé

dehydrierte Melone

Konzentrierte Süße in der dehydrierten Melone. Ich frage mich, wie lange dieser Prozess wohl dauert.

Nach diesem erneuten Fingerfood-Intermezzo gibt es ein Gersten-Risotto mit Kirsche, Kamille und einer geräucherten Eigelb-Emulsion. Dieses lila-farbende Gericht ist blumig, cremig und ganz speziell.
Barley Risotto, cherry, chamomile, smoked egg yolk emulsion

Wenn die Fingernägel zum Essen passen!

Bevor es dann zu den Nachspeisen geht, kommen wir zurück zum Soulfood. „Potato and Wildflower Gnocchi, beewax and local cheese fondue“ entpuppt sich als knuspriges Bällchen, in dem flüssiger Käse schwappt. Auch wenn die ganze Kombi hartnäckig an den Zähnen klebt, ist es einfach sehr sehr lecker! Dann wird es süß. Zuerst mit einem Mochi, der mit Körnern bedeckt ist und dann mit dem kältesten Gericht, das ich je gegessen habe. Es heißt schlicht „Milk“ und besteht aus einem Rohmilch-Eis, einem „Brot“ aus Milch, Heu und Salbei, das im Mund sofort zergeht und einem kleinen Blops aus einer Bier-Creme. Wunderbar! Mild, kalt, erfrischend und herb.
There is no meat Hisa Franko

There is no meat: stattdessen Gerste, Zwiebeln, Sellerie und Kirsche.

Cheeseball with melted cheese inside

Käsebällchen deluxe!

Da mich das nächste Dessert aus einem Rotkohl-Apfelwrap nicht vollends überzeugt, gehe ich einfach zum letzten Dessert über. Ähnlich wie die Kartoffel im Heuteig wird es hier simpel und lecker. Es gibt Obst mit verschiedenen Gewürzen oder Kräutern. Eine Kirsche mit Fenchel, ein Stück Pfirsich mit Chili und Salz und Kiwi mit Kreuzkümmel. Kein Hexenwerk, aber alles erstaunlich gute Kombinationen, die ich von alleine wohl eher nicht ausprobiert hätte. Hätten wir an diesem Punkt aufgehört zu essen, hätte ich eine perfekte Sättigung erreicht. Leider kann ich dem Angebot noch ein bisschen lokalen Käse zu probieren jedoch nicht widerstehen. Die folgende Käseplatte ist erstaunlich groß und sollte jeden beruhigen, der Angst hat, dass Sterneküche nicht satt macht. Ich hätte das nicht gebraucht, aber lecker ist der Käse trotzdem.
Dessert Hisa Franko

Der erste von vier süßen Gängen.

Und wie wars nun? Toll! Toll! Toll! Das Erlebnis Hiša Franko beginnt natürlich schon mit der Anreise. Für mache mag es Quatsch sein, nur für ein Restaurant irgendwo in die slowenische Provinz (oder irgendwohin) zu reisen, aber ich sage euch: Es lohnt sich! Das Soča-Tal ist unglaublich schön und das Restaurant fügt sich perfekt ein. Es macht Spaß gute Zutaten aus dieser Region in diesem Menü zu feiern. Die Atmosphäre im Restaurant habe ich als sehr angenehm empfunden, der Aperitif im Garten ist wunderschön und der Blick aus dem Fenster ebenso. Der Service war sehr international, nett und zurückhaltend. Hier und da hätte vielleicht noch ein bisschen mehr erklärt werden können.
Getränkebegleitung Hisa Franko

Die Getränkebegleitung hat uns geschafft.

Cheese Platter

Der Käse auch.

Weder Ana noch ihr Mann Valter waren an unserem Abend zu sehen und insgesamt fand ich es angenehm, dass kein großes Gewese um die Personen gemacht wurde. Statt Personenkult wie bei Massimo Bottura gibt es hier herzliche Gastfreundschaft, egal, ob die Chefin vor Ort ist oder nicht.

Und das Essen war einfach fabelhaft. Experimentierfreudig, aber nicht um jeden Preis, abwechslungsreich, aber nicht unpassend und immer einfach lecker. Der Besuch im Fäviken ist sicherlich aufgrund verschiedener Umstände für mich kaum zu toppen, aber die Hiša Franko ist schon ziemlich nah dran.

Hisa Franko Kobarid

Die Hisa Franko: Kein normales Dorfrestaurant.

Nach unserer Käseportion und einem Espresso setzen wir uns ins Auto und fahren langsam ins nächste Dorf. Wir bewundern den Mond, der hinter den Bergen hervorlugt, halten Ausschau nach Tieren und fallen dann satt und glücklich ins Bett. Der Ausflug in die Hiša Franko war ein voller Erfolg. Es hat riesigen Spaß gemacht, dieses Erlebnis mit Freunden zu teilen und ich bin ganz sicher, dass mir nicht nur das Drumherum, sondern auch das Menü noch lange in Erinnerung bleiben werden.

Infos in Kürze:

Die Hiša Franko liegt im beschaulichen Dorf Kobarid im slowenischen Soča-Tal. Von der Hauptstadt Ljubiljana fährt man ca. 2 Stunden. Das Restaurant ist von Mittwoch bis Sonntag geöffnet. Eine Reservierung ist notwenig.
Die Hiša Franko ist mit zwei Michelin-Sternen und dem Grünen Stern für nachhaltige Küche ausgezeichnet. Das Restaurant liegt (2022) auf Platz 21 der World’s 50 Best Restaurants.

  • Gaumenwertung 9,5/10
  • Gesamterlebnis 9,1/10
„Sensationell, wir wollen nicht aufhören zu essen!“

DETAILIERTE BEWERTUNG

Mira
Flo
Mira&Flo
Gaumen 9,5/10 Gaumen 9,5/10 Gaumen 9,5/10
Getränke 7,5/10 Getränke 8,0/10 Getränke 8,5/10
Atmosphäre 9,0/10 Atmosphäre 9,0/10 Atmosphäre 9,0/10
Service 8,5/10 Service 8,0/10 Service 8,3/10
Gesamterlebnis 9,0/10 Gesamterlebnis 9,0/10 Gesamterlebnis 9,1/10