Wir betrachten Halle im goldenen Licht der untergehenden Sonne. Von der Terrasse des Restaurants „Speiseberg“ haben wir dafür den perfekten Ausblick – es liegt, passend zum Namen, auf einer Erhebung am südlichen Rand der Stadt. Für kühle Getränke lockt der Biergarten, für ausgefeilte Menüs das Restaurant. Entweder zum Abendessen mit 9-Gängen oder am Wochenende zum Mittagstisch oder Kaffee und Kuchen.

Uns lockt das Menü spätestens, seit das Speiseberg 2022 einen Michelin-Stern erhalten hat. Außerdem ist Halle nur 30 Minuten Zugfahrt von Erfurt entfernt und wir freuen uns immer sehr, über gute Kulinarik in Mitteldeutschland. Wir sind offenbar nicht die einzigen, denen es so geht: Das Restaurant ist mehrere Monate im Voraus ausgebucht.

Restaurant Speiseberg Halle hat seit 2022 einen Michelin Stern

Aperitif auf der Terrasse mit Aussicht auf Halle.

Speiseberg Halle (2)

Genau hier sind wir heute zu Gast.

Gehört man zu den glücklichen, die einen Platz im Restaurant ergattert haben, so wird man ab 18.45 Uhr erwartet, um vor dem Menüstart um 19.15 Uhr in Ruhe einen Aperitif einzunehmen. Wir erfreuen uns an einem nicht näher spezifizierten Crémant, genießen das schöne Wetter und die Aussicht. Der Service, der über den Abend sympathisch und unprätentiös sein wird, ist zu Beginn ein bisschen chaotisch. Vielleicht liegt es daran, dass wir draußen sitzen. Ab dem Zeitpunkt, an dem wir den kleinen Gastraum betreten und unseren Platz einnehmen, wird es ruhig, angenehm und routiniert.

Ähnlich wie beim GenussAtelier in Dresden merken wir, dass wir hier nicht in einem alteingesessenen Sternelokal zu Gast sind. Es ist zwar professionell, aber vor allem ist es familiär, frisch und voller Leidenschaft.

Hinter dem Restaurant steckt übrigens eine junge Crew. Kein:e Mitarbeiter:in des Kernteams rund um Küchenchef Konstatin Kuntzsch ist über 40 Jahre alt. Ich finde das ist spürbar, atmosphärisch (zum Beispiel an der hervorragenden Spotify-Playlist von Josephine Bilz) und auf dem Teller.

Speiseberg Halle

Die Vorspeisen werden auf einem großen Tablett an unserem Tisch gebracht.

Los geht der Abend mit einem Tablett voller Kleinigkeiten: Tomatenessenz, gesäuerter Reis mit Avocado, Brot mit geräucherter Butter. Wir haben mal wieder einmal das vegetarische und einmal das Menü mit Fleisch und ohne Fisch bestellt. Angenehmerweise steht aber sowieso wenig Fleisch auf der Karte, sodass auch Flexitarierer hier keinen Eiweißschock bekommen sollten.
Onsen Ei auf Sauerklee Emulsion

Farbenfroh in Optik und Geschmack: Onsen-Ei auf Sauerklee-Emulsion.

Dann kommt der erste Gang: Ein fröhlich orangenes Onsen-Ei thront auf einer salzig, säuerlichen Sauerklee-Emulsion. Dazu gibt es allerlei Rettich in verschiedenen Zubereitungen und ein Salat-Eis, das die Geschmacksnoten der Sauerklee-Emulsion aufgreift. Eine runde Kombination, die alles mitbringt, um mehr davon zu wollen.
Menü im Speiseberg Halle

Sellerie, Sellerie, Sellerie! 

Mehr gibt es stattdessen von einer meiner Lieblingsgemüsesorten: Sellerie. Das nächste Gericht besteht aus einem Brioche mit Sellerie, einem Püree aus im Salzteig gebackenen Sellerie und einem Sellerie-Panna-Cotta im Geleemantel. Begleitet wird alles von einem süßlichen Sud aus Staudensellerie. Besonders das cremige Püree mit dem süßlichen Sud sind etwas Besonderes.
Karotte Dillöl

Das Dill-Öl sorgt auf dem Teller für hübsche Pünktchen und verleiht dem Gericht eine gelungene Cremigkeit.

Ähnlich wie beim vorigen Gang wird für das nächste Gericht eine Hauptzutat genommen und in verschiedenen Varianten angeboten, die durch einen Sud verbunden werden. Hier ist der Star des Tellers die Karotte. Spannend wird es hier durch einen Sud aus Karottensaft, Pilzen, (vegetarischem) Dashi und einer ordentlichen Portion Dillöl. Durch das Öl bekommt das Gericht eine Sanftheit und einen ausgesprochen cremigen Geschmack.

 

Hirtensalat mal anders

Sieht nicht aus wie Hirtensalat, schmeckt aber so.

Weiter geht’s mit einem Bauernsalat. Tomate, Gurke, Feta – alles da, nur anders als gewohnt. Die Olive ist gebacken, aus dem Feta wurde ein zartschmelzendes Eis zubereitet, die Tomate ist blanchiert, die Gurke süß-sauer. Es ist sehr lecker und es macht Spaß, dass das gewohnte Gericht gleichzeitig so bekannt und so neu schmecken kann.
Michelin Restaurant in Halle

Die köstliche vegetarische Variante.

Schick essen in Halle

Die köstliche omnivore Variante.

Es gibt Gerichte, die fühlen sich an wie eine feste Umarmung eines lieben Menschen. Das nächste Gericht ist so eins. Hier steht die Kartoffel im Mittelpunkt. Diese Konzentration auf jeweils ein Gemüse mag in der Wiederholung langweilig klingen, ist sie aber nicht. Die Kartoffel kommt als Schaum, als Würfel und mit einem knusprigen Gitter aus Süßkartoffel. Das alles ist wohlig warm und weich und wird von einem Speck-Sud mit der nötigen Tiefe und von einem Kräuteröl mit der nötigen Würze versorgt.

Das Einzige, was ich am nun folgenden Hauptgang auszusetzen habe, ist, dass er nicht so schön sommerlich ist. Petersilienwurzel (als Püree, pur und getrocknet) und Reh, dazu ein wunderbarer Lauch. Das schmeckt in erster Linie toll, aber irgendwie auch nach Winterabend. Aber niemand, wirklich niemand kann sich ernsthaft beklagen, wenn er diese Demi Glace probiert hat. Die könnte ich definitiv das ganze Jahr über essen. Auch die vegetarische Abwandlung dieses Gerichts ist toll, auch wenn mir die kräftige Soße hier natürlich schmerzlich fehlt (zumindest, wenn man sie probiert hat).

Dessert Restaurant Speiseberg

Zuckerkunst ist wahrscheinlich so oldschool, dass es jetzt wieder hip ist.

Als hätte man meine kleine Anmerkung gehört, wird es beim ersten Dessert wunderbar sommerlich und frisch. Ein zartschmelzendes Halbgefrorenes aus Zitrone, Orange und Limette, gekrönt von einem Orangensorbet. Dazu noch etwas Yuzu, um das Zitrusfrucht-Quartett komplett zu machen.

Etwas süßer wird es zum Schluss mit einem Mousse aus weißer Schokolade in einem Beeren-Gel-Mantel, der lustig auf dem Teller wabbelt. Dazu gibt es Beeren-Eis und Staub aus weißer Schokolade. Ich wünschte, diese Art von Staub würde sich auch zu Hause unter meinem Sofa sammeln. Es ist süß, schmelzig und dämpft angenehm die Säure der Beeren. Eine runde Sache.

Noch eine kleine Süßigkeit…

…und dann geht’s hinaus in die Nacht.

Das Restaurant Speiseberg macht richtig Lust wiederzukommen und gibt auch Anreize dafür: Die Gerichte wechseln nach und nach, sodass sich zwei bis drei Mal im Jahr eine neue Karte ergibt. Ich habe Lust, noch mehr von diesen Kreationen auszuprobieren, die genau an der richtigen Stelle zwischen klassisch und kreativ sind. Dazu kommt die angenehme Atmosphäre, der sehr sympathische Service und der tolle Wein, der uns allerlei spannende Entdeckungen beschert hat. Ein wirklich schöner Abend in einem Restaurant, von dem man hoffentlich noch oft hören wird.

  • Gaumenwertung 8,5/10
  • Gesamterlebnis 8,5/10
„Sensationell, wir wollen nicht aufhören zu essen!“

DETAILIERTE BEWERTUNG

Mira
Flo
Mira&Flo
Gaumen 8,5/10 Gaumen 8,5/10 Gaumen 8,5/10
Getränke Getränke 8,5/10 Getränke 8,5/10
Atmosphäre 8,0/10 Atmosphäre 8,5/10 Atmosphäre 8,3/10
Service 9,0/10 Service 9,0/10 Service 9,0/10
Gesamterlebnis 8,5/10 Gesamterlebnis 8,6/10 Gesamterlebnis 8,5/10