Kaum eine Welle trübt den spiegelglatten See, die Vöglein zwitschern und mit letzten goldenen Strahlen versinkt die Sonne hinter dem Berg. Außer uns ist kaum jemand an diesem wunderschönen Sommerabend unterwegs, nur ein Fischerboot gleitet geräuschlos durch das Wasser.

Wenige Meter abseits des Zeller Sees, einmal über die Hauptstraße gestolpert, befindet sich „Der Seewirt“. Unser Ziel des Abends, welches wir ganz simpel deswegen ausgewählt haben, weil die TripAdvisor-Bewertungen einfach fabelhaft sind. Dennoch rechnen wir gar nicht mit allzu großer kulinarischer Qualität. Wir sind hier schließlich in einem Urlaubsort und da weiß man nie, was sich hinter all den schönen Worten verbirgt.

Der Seewirt in Zell am See

Ruhig und friedlich ist es Abends in Zell am See

Restaurant am Zeller See

Wir haben reserviert und werden beim Eintreten in den Wintergarten gebracht. Ein Sitzwunsch, den ich jedem potentiellen Gast empfehlen würde. Denn während der Wintergarten einigermaßen schlicht und modern ist, wirkt der Hauptraum des Restaurants etwas schrullig und alt.
Obwohl das Restaurant durchaus über einen Blick auf den See verfügt, geht die friedliche Atmosphäre, die wir kurz zuvor so genossen haben, im Wintergarten etwas verloren. Die Straße ist schon sehr nah am Fenster und sie ist auch recht gut befahren.

Wir sind überrascht: mit so einem schönen und leckeren Gruß aus der Küche haben wir gar nicht gerechnet

Der Seewirt in Zell am See

Das stört uns jedoch nicht weiter und ist quasi vergessen, als wir den Gruß aus der Küche erhalten. Prachtvoll leuchtet uns ein knackiges, pinkes Radieschen entgegen, welches begleitet von etwas Kresse, in einem Kräuterdip zu versinken droht. Dazu gibt es Brotchips und frisches Weißbrot.

Während wir durch die Speisekarte stöbern, loben wir die tolle Kräutercreme, von der wir gern etwas abgefüllt und mitgenommen hätten. So lecker!

Dann kosten wir den von uns bestellten Wein. Leider habe ich mir die Namen nicht notiert, aber der Weiße erinnert uns positiv an diese kleinen Pfirsich-Weingummi-Ringe und der Rote ist wahnsinnig intensiv beerig. Nicht zu stark, aber auch nicht zu süß. Das führt dazu, dass er schon vor dem Hauptgang leergetrunken ist und durch ein neues Glas ersetzt werden muss.

Der Frühling auf dem Teller: die wohl letzte Bärlauchsuppe dieses Jahr

Moderne österreichische Küche

Jetzt aber zu unserer Bestellung: Da wir uns nicht zwischen dem Food-Favoriten, der typisch österreichischen Fritattensuppe und der nur saisonal verfügbaren Bärlauchsuppe entscheiden können, nehmen wir einfach beide.
Eine gute Entscheidung!

Die Bärlauchsuppe ist sehr kräftig im Geschmack. Viel Bärlauch, viel Salz, viel Petersilie. Viel Begeisterung bei uns! Nicht nur für die intensive Suppe, sondern auch für das dazu gereichte Gebäck, welches mit Käse und Kräutern gefüllt ist und uns an Lángos erinnert. Eine deftige Versuchung, an der wir uns beide ohne Klagen sattgegessen hätten. Absolut traumhaft.

Ein paar Klassiker müssen bei jedem Österreichurlaub sein: Fritattensuppe

Der Frittatensuppe tut es nicht gut nach der kräftigen Bärlauchsuppe gegessen zu werden. Im direkten Vergleich wirkt sie ein bisschen fad. Ohne die unmittelbare Konkurrenz ist jedoch auch diese Suppe sehr gelungen. Die Brühe ist geschmacklich gut und die Fritatten sind frisch, scheinen hausgemacht und verfügen über einen sanften Eigengeschmack.

Sehr schneller, sehr aufmerksamer Service

Obwohl wir noch ganz damit beschäftigt sind die Suppe zu loben, geht die Vorspeise direkt in die Hauptspeise über. Der Service ist sehr schnell. Etwas zu schnell für unseren Geschmack. Durch das sehr eilige Servieren der Speisen und das sehr häufige Nachfragen, ob denn alles in Ordnung ist, fühlen wir uns etwas gestresst. Dabei ist das Restaurant nicht übermäßig voll und es gibt aus unserer Sicht keinen Grund für große Eile. Vermutlich ist es nur nett gemeint, schießt aber etwas über das Ziel hinaus.

Die relativ laute (Radio-)Musik ist auch nicht förderlich für die Entspannung. Leider schadet das alles der Atmosphäre. Aber wir sind gut drauf, essen einfach langsamer und sitzen die Nachfragen aus.

Traumhafter Kartoffelbrei, der sich hier unter ebenso leckerer Lachsforelle versteckt

Toll angerichtete Speisen

Als uns dann die Hauptspeisen erreichen, könnten diese optisch kaum unterschiedlicher wirken. Während die bestellte Lachsforelle wirklich schön angerichtet ist, ist das Wollschwein ein bisschen lieblos auf den Teller geklatscht. Ein Umstand, der jedoch in Anbetracht des Geschmacks absolut zu vernachlässigen ist.

Regionale Zutaten

Ich fange jedoch mit der schönen Forelle an: die Lachsforelle trägt eine dünne, knusprige Kräuterschicht auf der Haut. Der Fisch ist super zart und zerfällt, sobald man ihm mit der Gabel zu nahe kommt. Das Fleisch ist saftig und herrlich frisch. Dazu gibt es einen herausragenden Kartoffelbrei. Sicherlich besteht er zu einem relativ großen Anteil aus Butter, aber auch Parmesan und eine ganze Menge Kräuter schmecken wir heraus. Die Konsistenz ist cremig, sämig, jedoch nicht zu fein püriert. Der intensive Geschmack des Breies passt sehr gut zum Fisch.

Dazu gibt es außerdem einige gebratene Spargelstangen. Durch diese Zubereitung sind die feinen Stangen noch knackig, hier und da jedoch leider auch etwas faserig. Bedeckt wird das alles mit einem luftigen Spargelschaum, der geschmacklich wunderbar in die Komposition passt und hier und da bestimmte Nuancen verstärkt.

Das gesamte Gericht ist absolut rund, die Zutaten sind aufeinander abgestimmt und geschmacklich wie optisch wirft es die Frage auf, ob sich der Seewirt nicht unter Wert verkauft.

Die nicht ganz so tolle Optik dieses Gerichts würde wahrscheinlich nicht auffallen, wenn nicht alle anderen Gerichte so toll aussehen würden

Ein Edelteil vom Wollschwein

Auch das zweite Hauptgericht überzeugt. Zwar wirkt es durch die (fehlende) Anrichtung deutlich rustikaler, aber es schmeckt super. Auf dem Teller liegt ein Edelteil des Wollschweins. Dazu gibt es grüne Bohnen mit Speck und Kartoffeldippers. Das Fleisch ist sehr zart, jedoch auch gut fettig, wie es für das Wollschwein (auch Mangalica genannt) typisch ist. Damit einhergehend ist das Fleisch auch sehr geschmackvoll.

Das Fett von Wollschweinen ist übrigens voll von guten Omega n-3 Fettsäuren und somit wahrscheinlich das gesündeste auf dem Teller, der insgesamt doch ziemlich fettig ist. Das gilt für die Bohnen, die mit reichlich Speck daherkommen, genauso wie für die Kartoffeln und selbstverständlich für die hausgemachte Sauce Hollandaise. Die Soße ist keine typische Hollandaise, da sie intensiv zitronig und senfig schmeckt. Das macht sie speziell und uns schmeckt sie sehr gut. Angenehm ist auch, wie sich trotz tiefer Cremigkeit durch die Zitrusaromen etwas Frische in das Gericht zaubert.

Blaubeersorbet, wie frisch aus dem Wald

Blaubeersorbet, wie frisch aus dem Wald

Die Portionen sind wirklich mehr als großzügig und so platzen wir nach dem Essen fast aus allen Nähten. Aber na klar, ein hausgemachtes Heidelbeersorbet geht noch. Dunkellila und intensiv nach kleinen Waldheidelbeeren schmeckend, ist es ein guter Abschluss für ein Menü, dass unsere Erwartungen mehr als übertroffen hat.

Ein Restaurant mit tollem Preis-Leistungsverhältnis

Das Preis-Leistungsverhältnis im Seewirt ist wirklich extrem gut. Wir sind uns sicher, dass das Restaurant mit einem leicht angepassten Konzept und vielleicht mit einer Renovierung der Gasträume mindestens ein Drittel mehr für die Gerichte verlangen könnte.
Natürlich ist es aber auch toll, dass es so ist, wie es ist. Nämlich einfach eine tolle Qualität auf dem Teller, die durch Zubereitung überzeugt und durch einen klasse Preis überrascht.
Das Ambiente im Restaurant könnte noch besser sein, aber wir würden einen Besuch trotzdem unbedingt jedem empfehlen, der in Zell am See richtig gut essen möchte.

Der Seewirt
Loferer Bundesstraße 49
5700 Zell am See
Österreich

https://www.seewirt-dasrestaurant.at/

Essen gehen in Zell am See

Wie gut kann eine Tomatensuppe sein? Der Seewirt verrät es dir.

vegetarisch essen Zell am See

Die vegetarische Auswahl ist weiterhin klein, aber köstlich.

Update 7/2022:

Drei Jahre später kehren wir für einen neuen Besuch zum Seewirt zurück. Optisch hat sich nicht viel verändert. Es ist angenehm die Touristenmassen hinter dem Ortsschild zurückzulassen und in das unaufgeregte Lokal einzukehren.

Wir bestellen:
Eine Tomatenessenz, Polenta mit Pilzen und Cordon Bleu.

Die Suppe ist wieder herausragend. Das vegetarische Hauptgericht ein cremiger Traum. Das Cordon Bleu bleibt ein bisschen dahinter zurück, schmeckt aber auch.

Der Service ist sehr freundlich und obwohl es dieses Mal ein bisschen länger dauert, fühlen wir uns gut aufgehoben.

Fazit: Klar, auch hier haben die Preise im Verlauf der Jahre etwas angezogen, sind aber in Anbetracht der gebotenen Qualität immer noch absolut fair. Wir sind auch dieses Mal richtig begeistert von der ehrlichen, qualitativ hochwertigen Küche im Seewirt und würden definitiv auch beim nächsten Besuch in Zell am See vorbeischauen.

Der Seewirt
Loferer Bundesstraße 49
5700 Zell am See
Österreich

https://www.seewirt-dasrestaurant.at/

  • Gaumenwertung 8,0/10
  • Gesamterlebnis 7,7/10
„Fabelhaft, ein tolles und besonderes Menü!“

DETAILIERTE BEWERTUNG

Mira
Flo
Mira&Flo
Gaumen 8,0/10 Gaumen 8,0/10 Gaumen 8,0/10
Getränke 8,0/10 Getränke 8,0/10 Getränke 8,0/10
Atmosphäre 6,0/10 Atmosphäre 6,0/10 Atmosphäre 6,0/10
Service 6,0/10 Service 7,0/10 Service 6,5/10
Gesamterlebnis 7,6/10 Gesamterlebnis 7,7/10 Gesamterlebnis 7,7/10