Auf Reisen neue Gerichte kennenzulernen und damit in die Kultur des jeweiligen Landes einzutauchen ist für mich eigentlich das schönste am Unterwegs sein. Nach 10 Tagen in Sri Lanka hatten wir natürlich schon ein grobes Bild von den typischen Speisen und Geschmäckern, dennoch war klar: hier gibt es noch eine Menge zu entdecken! Um uns das ein bisschen leichter zu machen, entschieden wir uns zum ersten Mal dafür, eine Food Tour zu buchen.
Um 10 Uhr treffen wir dafür Miyuru an der Colombo Fort Railway Station, dem schicken Kolonialbau, der auch heute noch als Colombos Hauptbahnhof dient. Miyuru arbeitet eigentlich in der Küche des Shangri La Hotels und bietet die Food Touren nur zum Spaß an seinen freien Tagen an. Mit ziemlich viel Erfolg, denn sie sind meist ausgebucht.
Zusammen mit einem Ehepaar aus Belgien machen wir uns auf den Weg durch die lauten und wuseligen Straßen der Hauptstadt. Zuerst geht es durch eine Straße in der alle Läden und Stände Elektrogeräte verkaufen, dann durch eine in der es nur „Lady-Items“ gibt. Kleider, Stoffe, Kosmetik, Haarpflege.
Tasting Nr. 1: King Coconut
Hat äußerlich nichts mit der brauen, haarigen Kokosnuss gemein: die King Coconut
Abrupt bleiben wir stehen. Erst einmal eine Kokosnuss. Miyuru erklärt, dass die Kokosnuss das perfekte Getränk ist, um sich bei dem heißen Wetter zu erfrischen. Abgesehen davon, ist das Kokosnusswasser sehr gesund. Es enthält nur wenige Kalorien, dafür aber viele sekundäre Pflanzenstoffe und wirkt isotonisch. Die in Sri Lanka heimische King Coconut ist etwas süßer als viele andere Sorten und schmeckt mir noch viel besser als die Exemplare, die ich aus Thailand kenne.
Nachdem wir den gefühlten halben Liter in Rekordschnelle ausgetrunken haben, spaltet die Verkäuferin die leere Nuss für uns und wir können mit einem Stück der Rinde das Kokosfleisch ausschaben. Davon hat die King Coconut nicht viel, das vorhandene ist jedoch super lecker, cremig und saftig. Wir finden es super, dass das Getränk in seiner natürlichen Verpackung daher kommt, die man dann auch noch zum löffeln nutzen kann.
Bei der King Coconut wird nichts verschwendet. Alle Teile der Pflanze werden verwendet.
Nachdem wir gut gewässert sind, steht jetzt das richtige Frühstück auf dem Programm. Dafür halten wir an einem unauffälligen Shop, der ziemlich gut besucht ist. Vor dem Laden waschen sich die Menschen in einer großen blauen Tonne die Hände.
Tasting Nr.2 : Reisnudeln, Omlett und Chicken Gravy
Schmeckt besser als es aussieht!
Miyuru ordert für uns. Zum Essen verziehen wir uns irgendwo in einen kleinen Hinterhof mit ein paar Bänken. Bevor es losgeht, erklärt uns Miyuru noch kurz, wie wir mit den Händen essen. Alle Zutaten gut vermischen, mit der rechten Hand nehmen und mit dem Daumen in den Mund schieben. Was bei ihm so einfach scheint, sieht bei uns ziemlich ungelenk aus, funktioniert aber. Das Frühstücksgericht aus Reisnudeln, Omlett und Hähnchen in Soße schmeckt auf jeden Fall fabelhaft. Es ist natürlich sehr herzhaft, aber ausnahmsweise mal nicht scharf. Könnten wir öfter essen.
Ein paar Straßen weiter, halten wir wieder an einem Straßenstand. Nicht gesund, aber lecker sei das nächste Gericht. Perfekt für einen Abend vor dem Fernseher.
Tasting Nr. 3: Maniok Chips
Mobile Frittierstation für Maniok-Chips
Gemüsechips sind ja mittlerweile auch in den deutschen Supermarktregalen angekommen, aber so frisch haben wir sie noch nie gegessen. Vor unseren Augen werden Maniokscheiben frittiert, mit Chili-Salz bestreut und sehr nachhaltig in alte Papierseiten eingeschlagen. Ohne Salz sind die Chips ein bisschen langweilig. Mit, sind sie richtig lecker. Wie das bei Chips so ist, mampft man sie einfach so vor sich hin und wundert sich, wie schnell die Tüte dann doch leer ist.
Der nächste Stopp führt uns wieder in ein kleines Lokal. Ich bin mittlerweile eigentlich schon pappsatt und froh, dass wir zwischen den einzelnen Stationen immer eine Weile laufen.
Tasting Nr. 4: Samosas und Wood Apple Juice
Leckeres Street Food: Samosas mit Gemüsefüllung
Serviert wird hier ein großer Teller voller Samosas. Die knusprigen Teigtaschen kommen ursprünglich aus Indien bzw. aus Pakistan und sind auch in Sri Lanka weit verbreitet. Miyuru erklärt, dass es durch die vielen verschiedenen Religionen, die in Sri Lanka zusammenleben und die entweder kein Rind, kein Schwein oder überhaupt kein Fleisch essen, meist vegetarische oder Hähnchen-Samosas gibt.
Wir kosten das Gebäck mit vegetarischer Füllung und freuen uns über die besten Samosas der Reise. Extra knusprige Hülle und geschmackvolle Füllung aus Kartoffelbrei und weiterem Gemüse. Dazu trinken wir einen Wood Apple Saft. Der Wood Apple ist eine Frucht mit einer unattraktiven gräulich-braunen sehr harten Schale. Beim Schütteln hört man den erfrischend unsüßen Saft in der Frucht hin und her schwappen. Miyuru berichtet, dass der Saft besonders gut mit Vanilleeis schmeckt. Das sei sehr erfrischend und eine beliebte Abwechslung zu Kokosnuss und Wasser. Er trinke den Saft gerne, um auf die notwendigen 3-4 Liter Flüssigkeit zu kommen, die man bei der alltäglichen Hitze in Sri Lanka am Tag trinken soll.
Alltägliches Gewusel auf den Marktstraßen von Colombo
Wir verlassen das Lokal mit fröhlichen Händeschütteln und tauchen wieder in das Gewusel der Straßen ab. Wir laufen jetzt durch das bemerkenswert große Viertel, in dem Trockenfisch gehandelt wird. Karton über Karton stapeln sich gesalzene Fische in allen Größen und Formen.
Tasting Nr. 5: Yaara Tee
Die Zufuhr von Sauerstoff verändert nicht nur den Geschmack von Wein
Während wir uns durch die ein- und ausladenden Laster schlängeln, erzählt uns Miyuru von unserem nächsten Ziel. Ein kleiner Becher süßer Tee soll es sein. Die Rezeptur des Yaara Tees ähnelt dem indischen Chai und wird auch, wie bei diesem nahen Verwandten, ebenso künstlerisch vom Verkäufer im großen Bogen hin und her gegossen. So wird der Tee mit mehr Sauerstoff versetzt und der Geschmack wird intensiver.
Der Tee ist sehr süß, aber auch sehr lecker. Wir schmecken deutlich den fruchtigen Ceylon Zimt heraus, der den Tee zwar würzig macht, aber ihm keine Schärfe verleiht.
Der Tee-Stand ist ein beliebter Treffpunkt für die Menschen aus dem Viertel
Vom Trockenfischquatier geht es in eine große Markthalle im Kolonialstil. Wie viele der alten Gebäude ist es nicht gut in Schuss, aber es versprüht immer noch einen ganz eigenen Charme. In der Halle wird Obst und Gemüse gehandelt. Die Berge voller leuchtend bunter Früchte sind toll anzusehen. Ananas, Tomaten, Auberginen, Okraschoten. Alles aufgetürmt in hohen Bergen auf dem Boden oder auf alten Tischen.
Tasting Nr. 6: Obst aus Sri Lanka
Trockenfisch in allen Varianten
Wir bleiben an einem Stand stehen und kosten eine Mango. Eine Sorte, die wir bisher nicht kannten und die viel säuerlicher ist, als die gewöhnliche. Dann steht ein weiteres unbekanntes Gewächs auf dem Plan: der Custard Apple (übersetzt Pudding-Apfel). Die grünliche Frucht erinnert mit ihrer großschuppigen Schale ein wenig an eine Artischocke oder an das Ei eines Drachens. Drin steckt eine cremige weiße Masse und große schwarze Kerne, die man nicht mitessen darf. Die Creme ist angenehm süß und kaum fruchtig. Ich würde sehr gerne mal ein Dessert aus dieser Frucht probieren, denn sie schmeckt schon von Natur aus wie mit Schlagsahne verrührt.
Zu guter Letzt kosten wir noch eine Mandarine. Sie ist klein, fest und grün. Damit sieht sie eher aus wie eine Limette, an die sie auch geschmacklich erinnert. Sie ist wahnsinnig sauer aber ebenfalls lecker.
Die heimische Mandarinen-Sorte ist klein, fest, grün und sauer
Tasting Nr. 7: Eingelegte Spezialitäten
Jeder der schon mal eine nicht eingelegte Olive gegessen hat, weiß warum das keine gute Idee ist
Nachdem uns Miyuru in der Markthalle noch einen Stand mit typischen Küchenhelfern aus Sri Lanka gezeigt hat, steuern wir einen Straßenstand gegenüber der Halle an. Hier gibt es allerlei eingelegtes. Wir kosten frische Oliven, Guave, Woodapple und Ananas. Alles bestreut mit Chilli, Salz und Pfeffer. Bis auf die herzhafte Ananas begeistert uns das alles nicht. Vor allem die frischen Oliven sind sehr gewöhnungsbedürftig. Spätestens nach der zweiten Sorte schmecken wir dank der Schärfe aber ohnehin nicht mehr viel.
Tasting Nr. 8: Reis und Curry
Reis und Curry auf dem Bananenblatt
Da die letzte größere Mahlzeit jetzt sicherlich schon eine halbe Stunde zurückliegt, kehren wir mal wieder in einem kleinen Lokal ein. Zeit für das Mittagessen. Auf dem Plan steht der Sammelbegriff, der eigentlich jede Hauptspeise in Sri Lanka abdeckt: Rice and Curry. Serviert werden hier drei verschiedene Currys auf dem Bananenblatt. Linse, Kartoffel und Karotte. In der Mitte ein großer Berg von ungewohnt großkörnigem Reis und darauf ein Stück Fisch, Garupa oder auch Zackenbarsch. Liebevoll einmal in der Mitte durchgehackt. Alle Komponenten schmecken hervorragend. Die Currys sind sehr unterschiedlich, alle cremig, alle sehr geschmacksintensiv. Das Kartoffelcurry gerade so scharf, dass es noch schmeckt. Unsere Entschuldigungen sind zahlreich, denn wir schaffen es nicht, die riesige Portion aufzuessen.
Tasting Nr. 9: Bananenvielfalt aus Sri Lanka
Außer den Mitgliedern unserer Tour sind weit und breit keine Touristen zu sehen
Langsam wird die Mittagshitze intensiver und wir drücken uns in den Schatten der Hauswände, gegenüber von unserem zweitletzten Ziel. Als Dessert gibt es heute Bananen. Neun Sorten sind in Sri Lanka heimisch und wir kosten sechs davon. Fast jeder Kiosk hat eine gute Auswahl an ganzen Bananenstauden am Eingang hängen.
Besonders populär sind in Sri Lanka die kleinen Embul Bananen. Auch wenn sie richtig reif sind, haben sie eine säuerliche Note und sind sehr erfrischend. Hier am Stand kosten wir außerdem eine rote Banane, die weitaus süßer ist, eine sehr dicke und feste Banane, eine die schmeckt wie zuhause (vermutlich Sorte Cavendish) und eine intensiv-gelbe Banane. Erstaunlich wie unterschiedlich Bananen schmecken können!
Bananenvielfalt in Sri Lanka
Wir laufen weiter und Miyuru ersteht im Vorbeigehen lässig die letzten Bestandteile unserer Food-Tour. Zuerst gibt es für jeden ein Stück kandierte Ananas. Die mag zum Tee ganz gut schmecken, pur ist sie einfach nur Zucker.
Tasting Nr. 10: Betle Chew
Betle Chew hat eine uralte Tradition für Mundhygiene in Asien
Auf einem kleinen Platz bleiben wir stehen. Zeit zum Zähneputzen, sagt Miyuru. Er packt einige grüne Blätter aus, die er zuvor an der Straße gekauft hat und erklärt, dass „Betle Chew“ früher genutzt wurde, um den Mund und die Zähne zu reinigen. Er wickelt das Blatt auf und darin zum Vorschein kommt eine Betelnuss und ein kleines Häufchen einer rosa Paste (Sodium Bicarbonate). Ich bin kurz erleichtert, denn ich hatte vorher Beetle Chew (also Käfer kauen) verstanden und dachte, dass es jetzt noch einen Snack der besonderen Art gibt. Besonders ist das kommende Erlebnis trotzdem. Miyuru teilt jedem ein Blatt mit Nuss und Paste zu. Das kommt in den Mund und wird ordentlich gekaut. Die entstehende Flüssigkeit sollen wir einfach durch zwei Finger, die an die Lippen gelegt werden, ausspucken. Na gut.
Die Gesichter von uns vier Europäern müssen sagenhaft sein. Alle verziehen den Mund, als sich der bittere Geschmack nach grünem Blatt und seltsamer Nuss im Mund verbreitet. Die Masse scheint sich auszudehnen und es entsteht sehr viel Flüssigkeit. Ich spucke (sehr elegant!) aus. Die Flüssigkeit ist knallrot. Kurz schießt mir der Gedanke in den Kopf, dass das vielleicht doch keine harmlose Food-Tour ist, sondern ein ausgeklügelter Plan um uns in Ruhe auszurauben.
Ich spucke die widerliche Blättermasse aus und schaue Flo an. Seine Zunge und Lippen sind knallrot. Miyuru lacht sich über unsere angeekelten Gesichter kaputt.
Nach dem zweifelhaften Genuss der Betelnuss sind Lippen und Zunge knallrot gefärbt
In den 10 Minuten nach der Verabschiedung fühlen wir uns ziemlich high. Etwas schwindelig und leicht benommen. Nebenwirkungen der „Mundhygiene“.
Als ich später im Hotel nachlese erfahre ich, dass die Betelnuss im asiatischen Raum sehr verbreitet ist, dass sich der Mythos der Mundreinigung hartnäckig hält, obwohl in Wirklichkeit das Gegenteil der Fall ist. Das Kauen der Nuss macht angeblich süchtig und fördert Krebs im Mund- und Rachenraum.
Wir lassen den Nachgeschmack dieser hervorragenden drei Stunden durch diese Information nicht bitter werden. Die Tour war ein tolles kulinarisches Erlebnis und hat uns die Esskultur Sri Lankas noch ein Stück näher gebracht.
Falls ihr mal in Colombo seid empfehlen wir euch Miyurus Tour wärmstens (ohne dafür eine Gegenleistung bekommen zu haben):
Danke, dass ihr uns an eurer Reise und den kulinarischen Erfahrungen teilhaben lasst. Ich war noch nie in Asien, wir sind eher Typ Mittel- und Südamerika, aber wenn man euch folgt, kommt das Fernweh gen Osten:)
Sehr gerne! Mittel- und Südamerika ist sicherlich auch wunderbar, ich hoffe, dass wir auch dort auch irgendwann mal Essen gehen können!
Wahnsinn! Was für eine Tour! Kann mir noch nicht vorstellen, wie ihr den Reis mit Chicken und Omelett mit der Hand gegessen habt. Bilder bitte! 🙂
Der Fisch ist wirklich sehr „liebevoll“ entzweigeteilt und die Samosas sehen köstlich aus. Yummy yummy, will ich auch.
Isst man denn in Sri Lanka immer so viel wie ihr auf der Tour oder ist das die touristische Ausnahme?
Auf dem Bild sah es tatsächlich erst aus, als müsstet ihr jetzt Insekten essen. Ich glaube Betelnüsse sind wie Eddinge, beim ersten Mal auf der Haut sind die nicht krebserregend. Erst wenn man es gegoogelt hat. 🙂
Freu mich auf noch mehr Reiseberichte von euch!
Das war echt eine krasse Tour. Ich glaube so viel sollte niemals jemand innerhalb von drei Stunden essen! Also nein, das entspricht eher nicht der sri-lankischen Realität. Außer für unseren Guide, der hat sich ebenfalls überall eine Portion gegönnt 🙂