(Achtung, Werbung! Wir verlosen in diesem Beitrag mehrere köstliche Kaffeeprobierpäckchen. Wir selbst haben keine Bezahlung oder Gegenleistung für das Verfassen und Veröffentlichen des Interviews erhalten).
Seit Vincent und Collin Höckendorf zufällig über einen alten Trommelröster gestolpert sind, war klar, dass sie eine eigene Kaffeerösterei gründen werden. Mitten in der Corona-Zeit haben sie in Weimar mit großem Erfolg erst ihren Shop und dann ihr kleines Café eröffnet. Dort rösten sie von Hand feinsten Specialty Coffee, den sie aus der ganzen Welt über Kleinstimporteure beziehen. Transparenz und Nachhaltigkeit sind den beiden genauso wichtig wie außergewöhnlicher Geschmack.
Wir haben die beiden in Weimar besucht und gemeinsam seeeeehr viel Kaffee getrunken:
Collin (rechts) und Vincent (links) brennen so sehr vor Leidenschaft, dass sie fast ohne den Röster auskommen könnten.
Hallo ihr beiden, schön dass ihr euch die Zeit für ein Gespräch genommen habt. Und danke, dass hier schon Kaffee auf uns wartet! Was fasziniert euch eigentlich so sehr an Kaffee?
Vincent: Wenn man anfängt, über Kaffee nachzudenken, wie über Wein, dann kann man ganz viele Facetten entdecken. Das, was wir hier machen mit dem „Hausbrüh“ [eine der Röstbrüder-Sorten], ist ein sehr klassischer Ansatz. Er ist sehr dunkel geröstet, sehr italienisch. Der ist schokoladig, nussig, der ist super mit Milch. Wir versuchen aber über die Spanne unserer Produktpalette das ganze Spektrum von Kaffee abzubilden, also das, was man third-wave nennt, diesen sehr sauren, sehr fruchtig gerösteten Kaffee.
Dass man sich mehr mit der Zubereitung von Kaffee beschäftigt hat, begann eigentlich erst spät, so in den 90er Jahren. Da wurde geguckt, wie röstet man das Zeug, sodass es nicht nur bitter schmeckt. Die Bohne an sich ist ja eigentlich sehr fruchtig. Da stecken viel mehr Aromen drin und die hängen genauso wie beim Wein von der Varietät der Pflanze ab. Faktoren sind die Anbauhöhe, das Klima und so weiter. Jedes Anbauland hat einen eigenen Geschmack. Man hat dann angefangen, heller zu rösten und mehr Frucht drin zu lassen, also mehr Säure, die dann diese Aromen tragen. In Thüringen ist das noch nicht so angekommen.
Was ist eure Aufgabe beim Rösten?
Vincent: Unsere Aufgabe als Röster ist eigentlich, aus dem, was im Anbau passiert, das Potenzial rauszuholen. Wir stellen fest, dass eine Bohne irgendwas kann und wir können das dann noch ein bisschen in die eine oder andere Richtung schieben, ein bisschen mehr Süße betonen oder ein bisschen mehr die Frucht herausholen. Aber am Ende hat die Bohne Potenzial, und das müssen wir verkörpern. Das ist eigentlich genau unsere Aufgabe. Uns ist auch die Zubereitung wichtig. Denn, egal wie gut die Kaffeebohne ist, man kann es in jedem Schritt wieder verkacken. [lacht]
Das heißt aber auch, dass wir mit unseren Importeuren zwangsmäßig zusammenarbeiten müssen und wissen müssen, wo der Kaffee herkommt. Wenn man den Kaffee von einem großen Importeur holt, weiß man nicht richtig, woher der Kaffee kommt. Da steht Brasilien drauf und der Hafen, von dem es losgeschickt wurde, aber man hat am Ende keine Ahnung von welcher Plantage das kommt.
Dabei gibt es zum Beispiel in Kolumbien Microlots, die sind nur ein paar Hektar groß. Da spezialisieren sie sich noch auf eine Varietät. Die haben keine Monokulturen, weil das klimaabhängig nicht mehr möglich ist und haben eine ganz andere Qualität an Pflanzen. Da wird nichts zusammengeschüttet, sondern du hast dann wirklich die Bohnen von dieser Pflanze in diesem Reifegrad. Das ist genau das, was „unsere Kolumbianer“ verkörpern. Der „Jördis“ und der „Köki“. Und das ist eigentlich das Faszinierende an Kaffee.
Woher bezieht ihr eure Kaffeebohnen?
Vincent: Erstmal muss man den normalen Weg von Kaffee kennen. Der Kaffee aus dem Supermarkt wird vorher an der Börse gehandelt. Auf den Kaffee wird spekuliert und der Preis wird runtergedrückt. Wenn der Kaffee dann in Deutschland ankommt, dann kommt er in Containern. Nicht mal in Säcken, sondern einfach als Schüttgut. Der Kaffee wird umverteilt und er wird einfach im Laufband bei 400 Grad 4 Minuten geröstet. Er schmeckt immer gleich, weil er einfach totgeröstet wird. Da ist nichts mehr drin.
Normale Kaffeeröstereien kaufen bei Großimporteuren, die haben auch einen riesigen Marktanteil. Dort wird der Kaffee meist frisch im Herkunftsland gemischt und abgepackt und die Röstereien kaufen den einfach Palettenweise. Durch die Mischung bleibt der Geschmack auch einigermaßen konstant.
Collin: Das ist aber nicht das, was wir wollen. Wir wollen hochqualitativen Kaffee. Auf der Suche nach kleinen Importeuren stößt man dann erstmal auf Unternehmen, die zwar guten Kaffee anbieten, die aber trotzdem zu den Großimporteuren gehören und nur auf Profit aus sind. Die sind nicht darauf aus, nachhaltigen Kaffee anzubieten.
Deswegen suchen wir selbst nach kleinen Importeuren. An unsere Connections sind wir gekommen, weil wir viel mit Leuten reden und die sagen dann „hey, guck dir mal den an, der macht das eigentlich ganz anständig“ oder irgendjemand sagt, „der Vater von meinem Mitbewohner, der kommt da her, sprich mal mit dem und der leitet uns dann wieder an jemanden weiter“…Das sind wirklich so wahnsinnig komplexe Wege.
Vincent: Wir arbeiten eng mit unseren Importeuren zusammen. Die kaufen den Kaffee direkt an der Plantage. Dort wird dann der doppelte oder dreifache Preis gezahlt und das bedeutet wirklich, dass bei den Bauern etwas hängen bleibt. Für uns bedeutet das natürlich, dass unser Einkaufspreis enorm hoch ist, im Vergleich zu Großimporteuren. Ist halt so. So ist das mit jedem hochwertigen Produkt. Wenn man die Qualität will, dann hat das halt seinen Preis.
Ein kommunistisches Känguru sagte mal: „Jetzt haben wir’s bezahlt, jetzt müssen wir’s auch machen.“
Könnt ihr mal kurz erklären, wie es überhaupt dazu kam, dass ihr macht, was ihr macht?
Vincent: Ich habe mich hobbymäßig für Kaffee interessiert. Dann brauchte ich einen Nebenjob während des Studiums und habe in einer Rösterei angefangen. Erstmal im Café, also im Service. Irgendwann ist dann der Röster weggegangen und mein Chef meinte, dass er da jetzt jemanden braucht, der Bock hat. Und ich hatte Bock. Ich habe dann angefangen Rösten zu lernen und das Studium wurde etwas unwichtiger. Irgendwann stand ich 40 Stunden da. [lacht]
Collin: Es war anfangs sicher nicht klar, dass es eine Rösterei wird. Aber uns war immer klar, dass wir etwas gemeinsam machen wollen. Wir hatten vieles im Gespräch, dadurch, dass ich ja Design studiert habe, ging das von einem Conceptstore über eine Bar oder ein Café. Durch Vincents Engagement in Röstereien hat er mich mit dem Kaffee auch ein bisschen angesteckt. Wenn ich bei Vincent zu Besuch war, ging es immer darum „wenn ich den so und so zubereite, oder das und das verändere, dann schmeckt er auf einmal ganz anders.“ Das fanden wir beide abgefahren.
Und dann wollten wir beide eigentlich nach dem Studium zusammen reisen. Wir hatten lange darauf gespart. Wir waren drei Tage in Mexiko unterwegs und bis sich Vincent bei einem Sturz das Jochbein gebrochen hat. Wir waren sehr schnell wieder zurück in Deutschland, für die OP und um das alles wieder zu richten [lacht]. Wir hatten das gesparte Geld übrig und sind in Hildesheim zufällig auf den Röster gestoßen.
Wie stößt man denn zufällig auf einen Kaffee-Röster?
Collin: Ich war in Hildesheim für den Masterstudienplatz angenommen und unsere Tante wohnt auch dort. Wir haben sie besucht und uns die Stadt angeguckt und sind an einem Laden vorbeigelaufen, der dauerhaft geschlossen hatte. Da hing ein Zettel, auf dem stand „Wenn Sie Interesse am Inventar haben, dann rufen Sie an“. Das war ein Feinkostladen und es standen noch ein paar Regale da und dass sie einen Probat Trommelröster von 1958 besitzen. Wir dachten, wir rufen wenigstens mal an.
Vincent: Wir haben dann bis zum Abhebe-Maximum alles von der Bank abgehoben und sind mit dem Zug zu den ehemaligen Inhabern gefahren.
Collin: Das waren auch zwei Brüder!
Vincent: Die beiden hatten den Röster in der Garage stehen und waren froh, dass ihn noch jemand benutzen wollte. Sie haben ihn uns für echt wenig Geld überlassen.
Collin: So sind wir zu dem Röster gekommen und das war dann quasi auch die Entscheidung: Jetzt haben wir das Gerät, jetzt müssen wir damit auch was machen [lacht].
Woran erkennt man guten Kaffee?
Collin: Die Leute sind oft begeistert, dass unser Kaffee überhaupt nicht bitter oder unangenehm ist. Das macht zum einen die Handröstung, also das lange Rösten, zum anderen liegt das auch an der Zubereitung. Durch zu lange Extraktion oder durch ein falsches Verhältnis von Wasser zu Kaffeemehl entstehen Bitterstoffe.
Ein typischer Fehler ist es, wenn Leute kochendes Wasser auf ihren Kaffee kippen. Das funktioniert in den meisten Fällen nicht. Wenn man wartet, bis es nicht mehr siedet, dann hat man schon viel gewonnen. In der Stempelkanne oder im Filter hilft es, das Kaffeemehl 30 Sekunden nur zu befeuchten, um mehr Aromen freizusetzen. Dann lässt man es 30 – 45 Sekunden stehen und gießt dann erst den Rest auf. Insgesamt sollte man in der Regel nicht länger als 3 Minuten extrahieren.
Könnt ihr noch bei eurer Oma so richtigen Standard-Filterkaffee trinken?
Vincent: Ich mach das sogar absichtlich! Es ist auch spannend zu gucken, was der Standard ist. Ich schaue dann, was im Kaffee geschmacklich zu finden ist und manchmal finde ich einfach nichts. Das ist ja auch der Grund, warum wir machen, was wir machen. [lacht]
Collin: Es gibt auch dieses Phänomen, dass mir die Leute gar keinen Kaffee mehr anbieten, dabei trink ich den dann schon.
Vincent: Ja, man macht sich auch unbeliebt, wenn man ständig überallhin seinen eigenen Kaffee mitbringt. [lacht]
Collin: Ich glaube es ist wichtig, damit man sich nicht verliert, in diesem Eskapismus, dass man sich selbst nicht zu ernst nimmt. Am Ende ist es Kaffee und man nimmt heißes Wasser und lässt es durchlaufen. Das kann man auf hundert verschiedene Arten machen und das ist faszinierend und toll aber…wir ziehen keine Leute aus dem Mittelmeer.
Welche Tipps habt ihr für „Kaffee-Anfänger“?
Collin: Viel Kaffee trinken!
Vincent: Und bewusst schmecken. Ich glaube, wenn man viel Wein trinkt, dann kann man auch Kaffee bewusst schmecken. Aber ich glaube, das ist auch etwas, das man trainiert, über Jahre wahrscheinlich. Deswegen würde ich einfach so viel Kaffee trinken, wie es geht und zwar nicht normalen Kaffee, sondern besondere Sachen. Immer wieder rangehen und gucken, ok, was passiert am Anfang und was am Ende, wie ist der Nachgeschmack?
Für neuen Kaffee, den wir probieren, haben wir auch so ein standardisiertes Protokoll, wo wir alles Mögliche erfassen. So können wir es dann auch vergleichen.
Collin: Was wir den Leuten bei uns immer sagen ist, wenn du den Kaffee trinkst, dann guck mal, dass du nicht alles runterstürzt, sondern nimm dir Zeit und trink ihn auf drei unterschiedlichen Temperaturstufen. Da verändert sich der Geschmack. Je kühler der Kaffee wird, desto mehr kommen die fruchtigen Noten raus. Es ist spannend, zu sehen, wie sich das verändert. Also man probiert es warm, so dass man es grad so trinken kann, dann so bei 70 Grad, wenn es angenehme Trinktemperatur hat und dann bei 40 Grad, also eher so lauwarm. Dann hat man ein Geschmacksspektrum von einem Kaffee.
Was möchtet ihr noch erreichen?
Collin: Ein Ziel ist natürlich, das ist wir erst mal stabil stehen. Das wir sagen, das Ding läuft gut und dass wir dadurch auch den Freiraum haben, zu gucken wo wir damit hinwollen. Wollen wir vielleicht Workshops machen oder die Möglichkeit bieten das Café auch als Kulturort zu sehen? Wir hatten jetzt zum Beispiel den Release vom FLUT-Magazin hier und das war eigentlich eine gute, schöne Sache. Wenn wir für sowas mehr Platz und Freiraum hätten, dann wäre das toll.
Wo bekommen wir euren Kaffee? Kann man ihn auch außerhalb von Weimar trinken?
Collin: Man kann zum Beispiel den Bieberbrüh bei Biebereis [Weimar] kaufen und man kann in der KreativTankstelle [Erfurt] den Denkbrüh kaufen. Wir machen eigene Röstungen für unsere Kunden. Ansonsten kann man unseren Kaffee über unseren Online-Shop kaufen. Wir verschicken zweimal die Woche.
Durch Corona lief das etwas asymmetrisch. Eigentlich wollten wir erst den Laden eröffnen und dann den Online-Shop, aber das durften wir dann nicht und haben es deswegen andersherum gemacht und innerhalb von kürzester Zeit den Online-Shop hochgezogen.
Was bedeutet Genuss für euch?
Collin: Ein großer Teil davon ist einfach eine hohe Qualität zu haben. Von Nahrungsmitteln und von Essen. Und auch die Zeit zu haben bzw. sich Zeit zu nehmen, um Sachen auszuprobieren und so aufregende Sachen zu entdecken.
Vincent: Für mich ist es ein Erlebnis. Wie die Liebe ist es einfach ein Gefühl, was man hat. Gar nichts, was man erzwingen kann. Ich glaube es ist nichts, wo ich mich hinsetzen kann und sage „Ich genieße es jetzt.“ Und dann ist es ein wohliges, warmes Gefühl und man ist dann so für einen kleinen Moment irgendwie mit sich zufrieden. Das ist so der Genussmoment. Man sitzt da und denkt sich „nice!“.
Zum Schluss machen wir noch eine kleine Schnellfragerunde. Sagt einfach das erste, was euch in den Sinn kommt.
Milchkaffee oder Espresso?
Collin: Espresso!
Vincent: Espresso!
Bier oder Wein?
Collin: Bier!
Vincent: Wein!
Was passt am besten zum Kaffee?
Collin: Gutes Gebäck.
Vincent: Schokolade.
Wer trinkt mehr Kaffee?
Beide: Vincent!
Liebste Aufgabe im Arbeitsalltag?
Collin: Mit Leuten über Kaffee sprechen. Das Feedback von den Leuten zu bekommen ist toll.
Vincent: Das Café aufmachen und den Leuten Kaffee servieren.
Welche eurer Sorten ist eure Liebste?
Collin: Der äthiopische Nilüfer.
Vincent: Köki.
Was war das Beste, was ihr jemals gegessen oder getrunken habt?
Collin: Mexikanisches Streetfood. Einfach Tacos irgendwo an der Straße.
Vincent: Also beim Kaffee weiß ich es, das war vor ein paar Monaten von Coffee Collective aus Kopenhagen. Da gabs einen anaerobischen Kaffee, den ich als Iced Filtered getrunken habe und einen Guji Espresso. Das war der beste Kaffee, den ich je getrunken habe. Beim Essen kommt es mir mehr auf die Gesellschaft an.
Wenn ihr Lust habt den Kaffee von den Röstbrüdern auszuprobieren, dann könnt ihr an unserem Gewinnspiel auf Instagram teilnehmen. Unter allen Teilnehmern, die den Accounts how_to_gourmet & roestbrueder folgen und den Beitrag vom 8.10.2020 mit Angabe einer Person, mit der sie Kaffee trinken wollen, kommentieren, verlosen wir 5 x ein Päckchen Röstbrüder-Kaffee und ein Freigetränk im Röstbrüder Café in Weimar (Sorten: Köki, Nilüfer, Dörte, Siebesgüte, Jördis). Die Gewinne haben uns Collin und Vincent zur Verfügung gestellt. Das Gewinnspiel läuft bis zum 18.10.2020 23:59 Uhr. Teilnahmeberechtigt sind nur User aus Deutschland, die mindestens 18 Jahre alt sind. Die GewinnerInnen werden nach dem Zufallsprinzip ermittelt und via Instagram Message verständigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Infos in Kürze:
Seit dem Frühjahr 2020 betreiben Collin und Vincent das kleine Café in der Richard-Wagner-Straße 17 in Weimar. Dort rösten sie selbst ihren Kaffee, den sie von Kleinstimporteuren aus der ganzen Welt beziehen. Nachhaltigkeit und Transparenz sind den beiden genauso wichtig wie ein besonderer Geschmack.
Den Kaffee von den beiden könnt ihr auch online bestellen: https://roestbrueder.de/shop/