Das Il Cortile in Erfurt ist wirklich extrem gut versteckt. So gut, dass ich es in den drei Jahren, die ich nun schon in Erfurt wohne, noch nie gesehen habe. Dabei wohne ich nur fünf Minuten entfernt.
Wenn man den Weg zu dem roten Schild gefunden hat, das von der Johannesstraße in einen kleinen Hof verweist, dann hat man schon ziemlich viel richtig gemacht. Fraglich ist nur wie man dazu kommt dort nach einem Restaurant zu suchen. Empfehlungen? Wahrscheinlich. Uns haben die guten TripAdvisor Bewertungen hierher gelockt. Davon gibt es zwar nicht viele, die sind dafür aber extrem positiv.
Apropos positiv. Positiv an unserem Besuch war zuerst einmal, dass wir an einem Freitagabend ganz spontan noch einen Platz bekommen haben. Positiv war auch, dass wir höchst freundlich empfangen wurden und nach kurzer Zeit zwei leckere und frische Brotsorten mit Trüffelcreme vor der Nase stehen hatten. Positiv war danach…
Ich könnte den ganzen Artikel so weiterschreiben, aber ich befürchte das wird etwas eintönig.
Ein kreativer Gruß aus der Küche
Weiter ging es also mit einem Gruß aus der Küche. Kleine Baumkuchenhäppchen mit luftigem Mozzarella und Basilikum. Eine schöne Idee und im Mund das Gefühl, zum ersten Mal in einen Basilikumkuchen gebissen zu haben.
In der Zwischenzeit begutachten Flo und ich die Speisekarte. Keine leichte Entscheidung, denn viele Gerichte der mediterran geprägten Auswahl klingen gut. Die Preise sind für Erfurter Verhältnisse sehr hoch und bewegen sich bei den Hauptspeisen irgendwo zwischen 17 und 35€.
Wir entscheiden uns schließlich als Vorspeise für Pork Belly (in seliger Erinnerung an das Pop Up Dinner in Weimar vor einem Jahr), als Hauptspeise wählen wir Gnocchi mit Kürbis und Salbei (als ultimativen Vergleich zum Mathilda Besuch vor einer Woche) und Lamm auf Tomaten-Risotto.
Nicht das schönste Restaurant in Erfurt, aber eines der leckersten!
Während wir auf das Essen warten, schauen wir uns in Ruhe im Raum um. Das Il Cortile ist nicht groß und ehrlich gesagt auch nicht herausragend schön. Ein bisschen sieht der Raum, mit seinen groben Steinen an den Wänden und der Self-Service Antipasti-Theke, aus, wie bei einem ganz gewöhnlichen Standard-Italiener. Nur sind die Tische besser eingedeckt. Für einen Freitag ist es sehr leer. Zwei größere Tische mit je sechs Gästen und ein weiterer Zweiertisch sind belegt.
Der Service ist unaufgeregt und freundlich und empfiehlt uns auf Nachfrage einen passenden, leichten Rotwein mit starkem Traubenaroma zu unseren Gerichten. Es ist nicht unbedingt die schönste Atmosphäre hier im Il Cortile. Sie ist der Qualität des Essens nicht so richtig angemessen. Gerne würde ich im Sommer noch einmal ausprobieren, wie sich die Erfahrung verändert, wenn man bei gutem Wetter im Hof sitzen kann. Vielleicht kommt dann etwas mehr Flair auf.
Während wir noch über die enorme Pfeffermühle sinnieren, die auf einem der Regale steht, kommt die Vorspeise. Beim ersten Blick sind wir überrascht, denn was uns vom Teller ganz präsent zuwinkt, ist kein Schwein, sondern der Arm eines Tintenfisches. Dieser war in der Speisekarte nicht vermerkt. Nach kurzer Irritation finden wir aber auch den erwarteten Schweinebauch, der neben dem Oktopus auf einem Bett von bunten Linsen sitzt. Weiterhin befinden sich auf dem Teller ein Klecks Zwiebelschaum und ein Cracker der schätzungsweise aus Parmesan und schwarzem Sesam besteht.
Da ich kein Freund von Meeresfrüchten bin, überlasse ich Flo den Tintenfisch, der ihm gut schmeckt. Das langsam gegarte Schwein hat die erwartete knackige Kruste. Ansonsten ist es stellenweise ein winziges bisschen zu trocken. Die bunten Linsen sind klasse. Wir sind uns einig, dass Menschen die salzempfindlich sind, das möglicherweise anders sehen könnten, denn die Linsen sind wirklich sehr stark gewürzt. Uns schmecken sie jedoch sehr. Auch der Zwiebelschaum passt gut in die Komposition und geht nicht unter, sondern unterstützt durch seine Konsistenz.
Wenig später treffen die Hauptspeisen ein. Die selbstgemachten Gnocchi kommen zusammen mit Schinken in Salbeibutter daher. Ergänzt ist das Gericht mit Peperoni, die ihm mehr als nur eine leichte Würze verleihen. Hätte für mich nicht sein müssen, da die Schärfe meiner Meinung nach den sonstigen Geschmack mehr überdeckt als unterstützt. Auch die Butter ist mehr als reichlich. Das wird bei den letzten Bissen ein wenig zu viel. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.
Eine wunderbare Komposition
Das Lamm ist perfekt gebraten. Innen rosig, außen ist es schön würzig. Darunter findet sich das Tomaten-Risotto. Wir beide entscheiden sofort, dass wir selbst mal ein Risotto mit Tomaten kochen müssen. Es ist einfach fabelhaft. Und am besten ist, dass es immer andere Geschmacksnoten erhält, je nachdem ob man es zusammen mit dem Wildkräutersalat, dem Lamm oder dem Ziegenfrischkäse auf der Gabel hat.
Erstaunlich große Hauptspeisen
Wenn wir uns unbedingt über irgendetwas beschweren sollen, dann darüber, dass die Portionen ziemlich groß sind. Natürlich rechtfertigt das den hohen Preis ein wenig, führt aber auch dazu, dass wir uns sehr unsicher sind, ob wir es schaffen noch ein Dessert zu kosten.
Aber was solls! Wir sind viel zu neugierig.
Wir bestellen die Crème brûlée mit zweierlei von der Pflaume und zusätzlich ein Apfelsorbet, weil wir es unbedingt probieren wollen. Ein kleines Kommunikationsproblem mit der Kellnerin führt dazu, dass wir statt Zwetschgen- und Apfelsorbet nur das Apfelsorbet zu unserer Crème brûlée erhalten. Das ist nicht weiter tragisch, denn wir sind sowieso pappsatt.
Die Desserts
Die Wahl des Apfelsorbets hat sich definitiv gelohnt. Es ist säuerlich und fruchtig-frisch. Erinnert ein bisschen an geriebenen Apfel. Die Crème hat eine tolle Kruste, die sich wunderbar knacken lässt. Das ist ja schon die halbe Miete bei diesem Dessert. Die Crème an sich ist nicht ganz perfekt. In ihrer Konsistenz erinnert sie uns etwas an Grießpudding. Unter der Crème ist allerdings ein Zwetschgenkompott versteckt, welches nicht zu süß sondern genau richtig ist. Obwohl das Dessert im Vergleich zu den anderen Gerichten für das Auge wenig zu bieten hat, kann auch die Nachspeise geschmacklich überzeugen.
Ein Geheimtipp, der sich lohnt
Dass wir so lange gebraucht haben, um ins Il Cortile zu kommen, obwohl es gute Bewertungen und sogar einen Teller vom Guide Michelin hat, ist etwas erstaunlich. Aber: besser spät als nie! Bestimmt war es nicht das letzte Mal.
Zwar ist das Preisniveau für Erfurt wirklich hoch, aber die Qualität passt eben auch.
Als kleinen Verbesserungsvorschlag würde ich mir wünschen, dass Zutaten wie der Tintenfisch bei der Vorspeise oder die Peperoni bei den Gnocchi, in der Speisekarte (die eigentlich eher detailliert die Gerichte beschrieb) erwähnt würden. Für einen unerwähnten Zusatz fand ich beide Zutaten in beiden Gerichten viel zu präsent.
Insgesamt ist das Il Cortile in Erfurt eine super Adresse für wirklich gutes, mediterran geprägtes Essen und spannende Gerichte.
Ich freue mich schon darauf, im Sommer wieder einen Ausflug in den versteckten Innenhof an der Johannesstraße zu machen.
Il Cortile
Johannesstraße 150
99084 Erfurt
https://ilcortile.de/
Öffnungszeiten:
Di – Sa: 18 – 22 Uhr, Mittags auf Anfrage
- Gaumenwertung 8,3/10
- Gesamterlebnis 8,0/10
„Fabelhaft, ein tolles und besonderes Menü!“
DETAILIERTE BEWERTUNG
Mira |
Flo |
Mira&Flo |
|||
Gaumen | 8,5/10 | Gaumen | 8,0/10 | Gaumen | 8,3/10 |
Getränke | 8,0/10 | Getränke | 8,0/10 | Getränke | 8,0/10 |
Atmosphäre | 6,5/10 | Atmosphäre | 6,5/10 | Atmosphäre | 6,5/10 |
Service | 8,0/10 | Service | 7,5/10 | Service | 7,8/10 |
Gesamterlebnis | 8,2/10 | Gesamterlebnis | 7,8/10 | Gesamterlebnis | 8,0/10 |
Ich liebe deine bildhaften Berichte, man schmeckt förmlich die Speisen. Freue mich schon auf den nächsten Tipp
Dankeschön, darüber freue ich mich sehr!