Die USA in einem Restaurantbesuch – Alinea, Chicago

Einmal ins Alinea in Chicago zu gehen, war ein großer Traum von Flo, den wir uns jetzt erfüllt haben. Und ja, irgendwie hatte dieser Traum seinen Ursprung im Ansehen der entsprechenden Chef‘s Table Folge. Aber, dass ein Restaurant mit Illusionen spielt und fast schon einer Magie-Show gleicht, klingt einfach super cool.

Um das kurz zusammenzufassen: Für mich fühlte sich der Abend an wie die Essenz der USA in drei Stunden. Es war ein Event, kurzweilig bis hektisch, es gab viel zu sehen und zu fotografieren, es gab viel zu Essen und keine Scheu Luxusprodukte zu verwenden, es war aber auch ein bisschen oberflächlich und ich kann das Gefühl nicht loswerden, nur ein offener Geldbeutel in einer wohldurchkalkulierten Maschinerie gewesen zu sein. Ich erkläre euch das ein bisschen genauer: Das Alinea, erdacht von Grant Achatz, gehörte vor einigen Jahren zu den gehyptesten Restaurants der Welt. Drei Michelin Sterne, 9. Platz bei den World’s Best Restaurants von San Pellegrino, die erwähnte Folge der Netflix-Serie Chef’s Table und zahlreiche weitere Auszeichnungen. Mittlerweile ist der Hype etwas abgeflaut, was sicher auch damit zusammenhängt, dass die Art der Küche, die im Alinea präsentiert wird, nicht mehr ganz den aktuellen Trends entspricht. Statt produktorientierter, reduzierter Küche wird im Alinea geklotzt. Es wird viel mit Illusionen gespielt, es wird gefriergetrocknet, pulverisiert, nachgebaut. Durch ganz verschiedene Techniken werden Wow-Effekte erzeugt, die den Showcharakter des Restaurantbesuchs verstärken.

Der ganze Restaurantbesuch ist wohl durchchoreographiert. Das bedeutet auch, dass man sehr pünktlich sein muss, um keinen Teil der Show zu verpassen. Ich möchte hier nicht spoilern, aber man sollte sich darauf gefasst machen, mehrfach den Ort zu wechseln, plötzlich von Dingen zu essen, die man vorerst für Dekoration gehalten hat und viele sehr genaue Anweisungen zu bekommen, wie genau man ein Gericht zu essen hat, damit es den gewünschten Effekt erzielt. Meine Sorge, dass hier der Geschmack auf der Strecke bleibt, hat sich nicht erfüllt. Die Bandbreite ist da. Es gibt Gerichte, die einfach lecker sind (z.B. eine Art Ravioli, die im Mund explosionsartig eine flüssige Trüffelfüllung freigibt) und auch solche, die eher experimentell sind (Eis aus schwarzen Trüffeln und Root Beer).

Insgesamt ist aber einfach beeindruckend, auf wie vielen Ebenen im Alinea die Sinne angesprochen werden. Temperaturen (eine warme Kartoffelkugel in einer kalten Kartoffelsuppe), Texturen (eine besonders „stachelige“ Schüssel zum in die Hand nehmen), Gerüche (am Tisch räuchernde Kräuter), Illusionen (etwas sieht wie eine Erdbeere aus, ist aber keine) und Geräusche (laut knusperndes Himbeer-„Glas“) werden gezielt in den einzelnen Gängen fokussiert. Das macht den Abend zu einem Feuerwerk der Ereignisse, bei dem man manchmal gar nicht mehr weiß, wo man zuerst hingucken soll. Es soll einem vor Staunen die Kinnlade runterklappen und ab und an funktioniert das auch.

Und wie hat es uns gefallen? Der Besuch im Alinea war ein ganz besonderes Erlebnis, das mir vielleicht nicht wegen den einzelnen Gerichten oder Weinen (obwohl auch diese hervorragend waren) in Erinnerung bleiben wird, sondern weil es so anders war, als jeder Restaurantbesuch, den ich bisher erlebt habe. Es war einfach eine gute Show. Unterhaltsam von vorn bis hinten, überraschend, durchdacht und mit extrem viel Können ausgeführt. Für mich zeigt es eine Seite von Fine Dining, die ich vielleicht nicht regelmäßig besuchen möchte, die aber meinen Erfahrungsschatz auf eine bereichernde Art ergänzt.