Etz. Ich muss sagen, der Name dieses Restaurants gefällt mir überhaupt nicht. Ich möchte euch somit höflich bitten, die naheliegende Assoziation sofort zu vergessen. Das Etz ist nämlich alles andere als ätzend. Wir sind in Nürnberg! Hier befindet sich das besagte Restaurant und balanciert irgendwo zwischen Noma-Verschnitt und fränkischer Gemütlichkeit. Im Etz gibt es sieben Jahreszeiten und somit sieben neue Karten im Jahr, die das jeweils beste der Saison zum Inhalt haben. Auf der Website wird die Verbindung mit der Umgebung folgendermaßen beschrieben: „Das Land, in dem wir leben und arbeiten, beschenkt uns reich. Mehr noch: es stiftet unsere Identität. Ohne seine Aromen und seine Traditionen wäre das etz nicht denkbar.“ Gut, das klingt etwas pathetisch, aber wird hervorragend und pragmatisch umgesetzt. Das Etz verarbeitet ausschließlich ganze Tiere, die komplett verwertet werden, das Team ist ständig mit den Erzeuger*innen in Kontakt und springt auch selbst mal bei der Schnittlauchblütenernte ein.

Geschäftiges Treiben am Tresen

Pilztee. Schmeckt auf beste Art nach Wald.

In den Lagerräumen, durch die es vor dem Menü eine kleine Führung gibt, stehen Fässer mit selbstangesetzter Fischsauce, Miso-Paste und Sojasoße. Die Regale sind auch im März noch gut mit verschiedensten Fermenten gefüllt: Obst, Gemüse, Essig. Ich würde hier nur zu gern mal ein paar Gläser öffnen und probieren. So informativ wie dieser kleine Ausflug ist, so sehr steigert er auch die Vorfreude. Aktuell befinden wir uns in der Zeit der „Ruhe & Reifung“. Klar, jetzt werden vor allem Fermente aus dem letzten Jahr eingesetzt, denn viel Frisches hat die Natur noch nicht zu bieten. Nachdem wir nun ein bisschen mehr über die Arbeitsweise des Etz erfahren haben, geht es ins Restaurant. Im Zentrum befinden sich mehrere Arbeitsbereiche, wo den Gerichten der letzte Schliff gegeben wird oder an denen angerichtet werden kann. Drum herum sind die Tische luftig angeordnet. Diese Gestaltung ermöglicht (zumindest theoretisch) eine Interaktion zwischen Team und Gästen. Heute ist davon nicht viel mitzubekommen und auch wir sind eher mit uns beschäftigt, aber das ist sicher von Abend zu Abend unterschiedlich.
Praline Etz

So isst sogar mein Begleiter Benny Pilze.

Wir sind heute zu viert und bekommen alle das gleiche Menü. Durch einen Kommunikationsfehler mit meiner Begleitung esse ich heute nicht vegetarisch und werde ausnahmsweise sogar Fisch essen. Naja, wenn nicht hier, wo dann? Hier weiß ich zumindest, dass kein Meeresfisch auf den Tellern landet und bin auch sicher, dass die Tiere aus den bestmöglichen Verhältnissen kommen.

Ich entscheide mich für die alkoholfreie Getränkebegleitung, meine drei Begleiter nehmen die alkoholische. Um das schon vorwegzunehmen: die alkoholfreie Variante ist fantastisch! Sehr kreativ, sehr passend, sehr abwechslungsreich und absolut lecker. Eine der besten Getränkebegleitungen, die ich bisher hatte! Ich bin sehr froh, mich so entschieden zu haben, denn ich nippe zwar immer mal an Flos Gläsern, bin aber der Meinung, dass die alkoholische Begleitung eher nicht so etwas Besonderes ist. Spannend ist zwar, dass sie nicht nur aus Wein besteht, sondern dass auch ein selbstgebrautes Bier und einer „meiner“ alkoholfreien Cocktails (jedoch mit Rum) dabei ist.

Jetzt aber zum Menü. Ich versuche wieder mich etwas kürzer zu halten:

Waldtee: Es kann ja keiner ahnen, dass ausgerechnet heute einer der ersten warmen Frühlingstage ist. So ähnlich wie wir heute Nachmittag eine viel zu dicke Jacke anhatten und in der Sonne schwitzten, so fühlt sich auch diese sehr kräftige tolle Pilzconsommé an: Im Winter ist das sicherlich ein Traum. Jetzt auch, aber einer, der nicht mehr ganz zur Jahreszeit passt. Dennoch: mega intensiv und absolut köstlich!

Praline: Eine längliche wahnsinnig fluffige Sauerteigbasis, die mit sehr fein gehobelten Champignons belegt ist. Obendrauf Pulver von grünem und schwarzem Knoblauch, das Tiefe und Frische gibt.

Knuspriger Schweinebauch

Mannoman, diese Chilisoße zum Schweinebauch. So lecker!

Schweinebauch: Ach halleluja, was soll man da sagen? Der marinierte und abgeflammte Schweinebauch ist unfassbar gut. Fettig und geschmackvoll. Einen interessanten Twist bringt die dazugereichte Chilisoße. Das passt hervorragend! Aber Achtung, die ist wirklich scharf.
Außerdem befindet sich auf dem Teller ein Würfel Yakonwurzel (ähnlich wie Topinambur), der mit zitronigem Salz hervorragend harmoniert und dem Schwein die Schwere nimmt.

Michelin Schlachteschüssel

Schlachteschüssel 2.0

Schlachtschüssel: Weil im Etz ganze Tiere verarbeitet werden und vielleicht auch weil wir in Franken sind. Highlight der Schlachtschüssel war für mich der fermentierte Rotkohlsaft, der, wenn ich das richtig verstanden habe, auch Blut beinhaltet hat. Darin ein unvergleichlich nussig-cremiges Bamberger Hörnchen (Kartoffel), das mit pulverisierter Magalica-Leber bestreut wurde. Rund und fein.

Wagyu Tatar

Und das war „nur“ das Wagyu Tatar. Dazu gabs noch reichlich Wurst, Käse und hervorragendes Sauerteigbrot.

Brotzeit: Schon vergessen? Wir sind in Franken! Also gibt es eine 2-Sterne Brotzeit. Zum hervorragenden Sauerteigbrot gibt es allerlei selbstgemachte Wurst und Schinken, Käse, Butter, fermentiertes Gemüse und Wagyu-Tatar. Das ist alles so gut, dass der Abend an dieser Stelle auch einfach hätte vorbei sein können. Es ist sehr schwer hier nicht einfach 5 Scheiben Brot zu essen. Dazu trinke ich einen Zuckerrüben-Kefir, der frisch, cremig und wunderbar ist.

Viele Gänge im Etz

Ein Hauch von Frühling!

Rohe Seeforelle

Hübscher Fisch im Schüsselchen.

Winterlager: Ein Rettich-Riegel, der mit fermentiertem Rettich und rohem Rettich gekrönt wird. Drum herum: Buttermilch mit Schnittlauch-Öl. Heißt zwar Winterlager, schmeckt aber schon nach Frühling und ist eins meiner Highlights.

Seeforelle Roh: Die Seeforelle wird nach japanischer Technik vom Etz-Team geschlachtet. So wird die Ausschüttung von Stresshormonen vermieden, die den Geschmack negativ beeinflussen können. Die Seeforelle wird als Chirashi, Nigiri und in einer Fischbrühe serviert. Gerade die Brühe ist sehr salzig und gleichzeitig cremig. Nicht mein Liebling, aber sehr interessant. Vor dem nächsten Gang gibt es als Getränk eine Art Mexikaner auf Karottenbasis, der mit ordentlich Schärfe den Magen neutralisiert. Yihaaa! Ein bisschen wie Wasabi zum Trinken.

Aal. Süß-sauer-scharf. 

Grünkohleintopf: Spätestens jetzt bin ich so satt, dass ich Probleme habe, das Essen noch wirklich zu genießen. Das ist sehr schade, denn dieser Grünkohl (gebacken, sautiert und roh mariniert), den man mit einem Tomatenrahm vermengt, ist auch schon wieder sehr spannend. Lustig ist, dass das ganze Gericht intensiv nach Sour Creme Chips riecht.

Süß-sauer-scharf: Es wird gedämpfter Aal mit Koriander und Rentierflechte serviert. Auch wenn der Aal aus der unmittelbaren Nähe und vom Fischer des Vertrauens kommt (und auch nur ganz wenig ans Restaurant geliefert wurde), habe ich Probleme dieses vom Aussterben bedrohte Tier zu essen und bereue in diesem Moment stark, das Kommunikationsproblem bei der Reservierung. Ich habe zu sehr mit meinem Gewissen zu tun, aber die anderen fanden es lecker.

Wagyu

Dass es wirklich sehr große Portionen sind, bilde ich mir nicht ein, oder?

2 Sterne in Nürnberg

Eis geht ja immer noch irgendwie.

Wagyu: Das Fleisch des aus Franken stammenden Wagyu-Rinds hat fünf Monate im Dryager verbracht und zeigt die charakteristische Marmorierung. Es schmeckt wunderbar. Dazu gibt es Zwiebelpüree, marinierte Zwiebeln, eingelegte Bärlauchknospen und Taglilie, die ebenfalls zu den Zwiebelgewächsen gehört.

Rosengewächse: Sauerkirschsorbet mit Baiser, Kernöl und Blüten.

Alkoholfreie Getränkebegleitung Restaurant Etz

White Russian kann man also auch auf Basis von Topinambur machen. Muss ich mal meinen Kleingartenfreund*innen erzählen.

Falsche Kokosmakrone: Die milde Feigenblatt-Eiscreme mit roher und gebackener Topinamburwurzel schmeckt tatsächlich nach Kokosmakrone. Das ist wirklich lecker! Der dazu servierte Top‘ Russian Cocktail aus Topinambur gibt mir allerdings echt den Rest (obwohl er auch köstlich ist). Es ist sehr viel und sehr sahnig und ich bin so satt.

Joa. Und nach vielen Gängen hier noch der Endgegner.

Fazit: Wow, das war wirklich ein wilder Ritt durch Vorratskammer und Fleischerware. Es war köstlich, kreativ und abwechslungsreich. Es wird absolut deutlich, dass das Etz in Sachen Qualität keine Abstriche macht. Das Einzige, was das Gesamterlebnis für mich leider doch sehr getrübt hat, ist die Menge des Essens: Für mich war es einfach viel zu viel und das hat dazu geführt, dass ich nicht mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen bin. Ich hatte das Gefühl, dass es, ähnlich wie ich es aus der Bachstelze in Thüringen kenne, zum Konzept gehört und so einen kleinen Rest von Wirtshausfeeling bewahrt werden soll. Es soll sich kein Franke (oder Thüringerin) über zu kleine Portionen in diesem Fine Dining Laden beschweren. Gibt bestimmt Menschen, die das toll finden. Nichtsdestotrotz war das Essen ganz hervorragend und ich wäre neugierig, wie die anderen Jahreszeiten, in den mehr frisches Gemüse zur Verfügung steht, schmecken.
  • Gaumenwertung 8,8/10
  • Gesamterlebnis 8,6/10
„Sensationell, wir wollen nicht aufhören zu essen!“

DETAILIERTE BEWERTUNG

Mira
Flo
Mira&Flo
Gaumen 8,5/10 Gaumen 9,0/10 Gaumen 8,8/10
Getränke 9,5/10 Getränke 8,0/10 Getränke 8,5/10
Atmosphäre 8,5/10 Atmosphäre 9,0/10 Atmosphäre 8,8/10
Service 8,0/10 Service 8,0/10 Service 8,0/10
Gesamterlebnis 8,7/10 Gesamterlebnis 8,7/10 Gesamterlebnis 8,6/10