Wenn in einer Sterneküche ein Klassiker neu interpretiert wird, dann kommt entweder etwas ganz schreckliches (ich will doch nur, dass es schmeckt wie bei meiner Mutter!) oder etwas geniales (ich will nie wieder etwas anderes!) dabei heraus. Dem Tulus Lotrek ist zweiteres gelungen. Und das mit dem deutschesten aller Gerichte, dem Döner.

Aber der lebensverändernde Döner ist nicht alles, was das Tulus Lotrek in Berlin zu einem ganz besonders tollen Restaurant macht. Es gibt fantastischen Wein, eine sehr schöne Atmosphäre, richtig angenehmen Service und allerlei intensive Geschmackserlebnisse, die man nicht so schnell vergisst.

Tulus Lotrek Berlin (2)

Hach, gemütlich! Das Restaurant liegt in der Fichtenstraße in Kreuzberg.

Tulus Lotrek

Wenn du ganz genau hinschaust, siehst du den Schinken auf der Tapete.

Unser Besuch im April war schon lang geplant und mit Freude erwartet. Zur Wahl stehen im Tulus Lotrek ein omnivores und ein vegetarisches Menü. Eine alkoholfreie Getränkebegleitung steht als Alternative zur umfassenden Weinkarte oder der abgestimmten Weinbegleitung ebenfalls zur Verfügung. Wir haben uns für das vegetarische Menü sowie für das Menü mit Fleisch, aber ohne Fisch entschieden. Das omnivore Menü ist relativ fischlastig, weswegen unsere Menüs größtenteils übereingestimmt haben.

Grüße aus der Küche.

Aber ein bisschen chronologisch soll es hier vonstattengehen:

Das Tulus Lotrek befindet sich in einem schicken Altbau in der Fichtenstraße in Kreuzberg. Ilona Scholl ist Restaurantleiterin und wurde mehrfach zur Gastgeberin des Jahres gekürt. In der Küche steht ihr Lebensgefährte Max Strohe, den mancher vielleicht aus diversen Fernseh-Kochshows kennt. 2017 hat das Restaurant einen Michelin-Stern bekommen.
Wir sehen keinen von beiden bei unserem Besuch, stattdessen treffen wir auf ein extrem sympathisches und perfekt aufeinander eingespieltes Team.

Eine Schönheit: Rosen Bitter als Aperitif.

Serviert wird zuerst ein toller Champagner von Chartogne Taillet – ich bin neugierig auf die alkoholfreien Varianten und trinke einen Rosenbitter als Aperitif. Dann bekommen wir einen versiegelten Umschlag. Der Abend wäre nur zu übertrumpfen gewesen, wenn sich darin (endlich!) der Brief aus Hogwarts befunden hätte. So oder so ist im Restaurant alles sehr schön. Eine schöne Menükarte steckt im Umschlag, die Wand wird von einer supercoolen Dschungel-Schinken-Tapete geziert, es gibt Holzdielen, ein Geschirr-Sammelsurium und alte Holzstühle.

Schön geht es weiter mit ein paar Kleinigkeiten, die unseren Gaumen auf das vorbereiten, was kommen wird. Das kleine Ensemble aus einem Möhren-Maccaron, der mit eigelegtem Hokkaido gefüllt ist, einem Tartelett mit gelber Bete und einem Nori-Röllchen mit scharfem Mango-Chutney sind auf jeden Fall eine Ansage.

Tulus Lotrek Berlin

Dieses Gericht erinnert mich auf allerbeste Art an das Restaurant Ark in Kopenhagen.

Es geht danach auf einem extrem hohen Niveau weiter. Der Tomatensalat mit einem Mousse aus Tomatenwasser sendet Grüße vom bevorstehenden Sommer und ist so lecker, dass ich mir kaum vorstellen kann, wie es noch besser weitergehen soll. Mir gefällt, dass im Tulus Lotrek offenbar auch ein bisschen Schärfe eingesetzt wird. Ein Geschmack, der mir in deutschen Restaurants eher selten begegnet.

Auch bitter wird es normalerweise auf den Tellern eher selten, dabei beweist der folgende verbrannte Lauch mit Zwiebelcreme und karamellisiertem norwegischen Braunkäse, dass Bitterkeit durchaus köstlich sein kann. Das Gericht ist mit seinen rauchigen, bitteren, cremigen und süßen Tönen herrlich komplex.

Lauch mit Brunost

Brunost, ein erstaunlicher Käse mit Karamellgeschmack.

Deluxe Döner im Tulus Lotrek

Es gibt sogar kleine Döner-Ständer!

Tja und dann kommt der Döner. Ein bemerkenswert fluffiges Fladenbrot in dem statt Fleisch eine wunderbare Umami-Karotte wartet, eine perfekte Schärfe, genau die richtige Menge Soße, säuerliche Sumach-Noten und knackiger Salat. Döner wird nie wieder das Gleiche sein. Wir hadern gar nicht lange mit uns, bevor wir fragen, ob wir noch eine zweite Portion bekommen können.
Sterneküche in Berlin

Tortelloni in kräftiger Brühe in Omas gutem Geschirr.

Champagnersorbet

Sorbet als Zwischengang – klassisch. Dieses Quitten-Sorbet – gar nicht klassisch.

Dann geht es weiter mit Tortelloni in einer vegetarischen Bouillabaise, die erstaunlich fischig schmeckt. Dieses Gericht ist ein bisschen experimenteller und zeichnet sich vor allem durch starken Geschmack aus. Starke Soßen, die als Markenzeichen des Tulus Lotrek gelten, hatten wir bis hier schon ein paar. Hier herrscht keine Angst vor viel Geschmack. Oder vor viel Butter. Der nächste Gang hilft uns dabei unsere Geschmacksknospen wieder freizupusten: ein frisches Quittensorbet, das von Champagnerschaum gekrönt wird. Darunter finden sich zu unserer Überraschung einige Kalamata-Oliven. Das Gericht ist leicht herb, sehr frisch und eine schöne Abwechslung. Wieder ist die Zusammenstellung sehr komplex und der Mund hat ganz schön zu tun, alle Geschmäcker zu sortieren.
Kalbsbries

Spargel, Morcheln, Bärlauch

Spargel, Morcheln, Kalbsbries

Zwei Hauptgänge folgen auf diese Sorbet-Pause.
In der omnivoren Variante kommt ein zerfallend-zartner Kalbsbries, in der vegetarischen, ein Teller mit grünem und weißem Spargel, einem 64-Grad-Ei und Morcheln. Dieses Gericht ist ganz schön intensiv, dabei aber auch cremig und weich. Für mich gewinnt das vegetarische Gericht deutlich vor dem Kalbsbries.

Schon den ganzen Abend haben wir das fluffige Brioche beäugt, dass an die anderen Tische geliefert wurde. Jetzt kommt endlich unsere Portion. Dazu gibt es eine kräftige Consommé zum Dippen. Wie schon erwähnt: Die Soßen im Tulus Lotrek sind fantastisch und ich finde, dass dieses Gericht diesen Umstand perfekt würdigt. Mehr als einen Träger für die Soße braucht es einfach nicht.

Ein Traum von einem Brioche.

Das Dessert. Eine karibische Sache.

Danach geht es zum Dessert: Ananas-Eis in einer warmen Rum-Karamell-Soße. Hier wird es für mich ein bisschen zu intensiv. Es ist sauer und süß gleichzeitig und für mich eher ein Grund das Gesicht zu verziehen, wenn ich nicht akkurat gleichmäßig alle Komponenten auf dem Löffel habe. Dazu kommt in der alkoholfreien Getränkebegleitung ein alkoholfreier Rum mit Ahornsirup, der sich ziemlich gut in das Geschmackserlebnis einreiht. Besser gefällt mir an dieser Stelle die Kombination mit einer Chenin Blanc Beerenauslese. Spannend ist es aber allemal. Und mit dem abschließenden Haselnusswindbeutel wird es auch nochmal klassisch süß und lecker.

Eine kleine Versöhnung für Liebhaber des klassischen Nachtischs.

Damit endet das Menü. Und wie ist das Fazit? Das Tulus Lotrek hat die beste Playlist, die mir je in einem Restaurant unter die Ohren gekommen ist. Und auch die Abfolge auf den Tellern ist wirklich außergewöhnlich. Gerade zu Beginn des Menüs hat ein Highlight das nächste gejagt. Dann ist das Niveau in meiner Wahrnehmung beginnend mit dem Hauptgang etwas abgeflacht. Dieser Eindruck kann aber auch ganz subjektiv damit zu tun haben, dass das Dessert nicht so meine Vorlieben getroffen hat und mein Gesamturteil nun darunter leidet. Mit dem zeitlichen Abstand, den ich mittlerweile habe, ist mir die ausgesprochen angenehme Atmosphäre, die gute Musik und der sympathische Service besonders im Gedächtnis geblieben. Und auch den Döner werde ich nicht so schnell vergessen. Daneben wird das Tulus Lotrek sicherlich eine Referenz für komplexe Kombinationen (wie bei dem Lauch mit Brunost) bleiben. Insgesamt weiß ich nicht, ob das Preis-Leistungsverhältnis für mich zu 100 % gepasst hat und ob ich den stolzen Menüpreis von 189 € nicht doch lieber in eine neue Erfahrung investieren würde, anstatt zeitnah wiederzukommen. Es ist aber auch fraglich, ob das immer das Ziel sein muss. Es war ein sehr schöner und spannender Abend und meine Geschmacksknospen wurden gut gefordert. Danke, an das Team!

Infos in Kürze:

Das Restaurant Tulus Lotrek liegt in der Fichtestraße 24 in Berlin Kreuzberg. Geöffnet ist von Donnerstag bis Sonntag ab 18 Uhr. Zur Auswahl stehen ein omnivores und ein vegetarisches Menü für jeweils 189 €.

  • Gaumenwertung 9,0/10
  • Gesamterlebnis 7,5/10
„Sensationell, wir wollen nicht aufhören zu essen!“

DETAILIERTE BEWERTUNG

Mira
Flo
Mira&Flo
Gaumen 9,0/10 Gaumen 9,0/10 Gaumen 9,0/10
Getränke 9,5/10 Getränke 9,5/10 Getränke 8,5/10
Atmosphäre 9,5/10 Atmosphäre 9,0/10 Atmosphäre 9,3/10
Service 9,5/10 Service 9,5/10 Service 9,5/10
Gesamterlebnis 9,2/10 Gesamterlebnis 9,2/10 Gesamterlebnis 9,0/10