Das Fäviken Magasinet unter Leitung von Magnus Nilsson gehört zu den besten Restaurants der Welt. Doch nicht nur das Essen ist spektakulär – der gesamte Besuch wird als einmaliges Erlebnis inszeniert.
Wir sind so dankbar für dieses tolle Erlebnis, dass wir sehr ausführlich darüber berichtet haben. Das können wir dann anschauen, wenn wir alt und runzelig sind. Und ihr auch. Oder jetzt, ganz wie ihr mögt:
Unser Bericht ist in drei Teile gegliedert:
Die Anreise
Das Menü
Das Frühstück
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Das Abendessen beginnt
Zurück in unserem kuscheligen Zimmer, ziehen wir uns um und starten dann in das eigentliche Erlebnis.
An der Tür zum Restaurant begrüßt Magnus Nilsson jeden seiner Gäste mit Handschlag. Dann werden wir an einen Platz am Kaminfeuer gesetzt. Mit 15 Grad ist es hier auch im August eher frisch. Es liegt schon ein Hauch von Herbst in der Luft. Neben uns wird ein Paar aus Schweden platziert. Während an anderen Tischen sofort aufgeregte Gespräche starten, haben unsere Sitznachbarn eher keine Lust sich zu unterhalten. Dennoch ist der Ansatz nett, dass man im Fäviken nicht isoliert am Zweiertisch sitzt, sondern durchaus neue Bekanntschaften schließen kann, wenn man möchte.
So gemütlich! Steife Etikette sucht man im Fäviken vergebens, stattdessen ist es rustikal-kuschelig.
Der Raum in dem wir sitzen, lässt sich am besten als rustikale Holzhütte beschreiben. Ich lasse meinen Blick schweifen: an den groben Holzbalken hängt ein Fellmantel und getrocknete Blumen, auf einer alten Kommode stehen einige Kochbücher und hinter einer Theke stehen feinsäuberlich aufgereihte Gläser mit eingelegtem Gemüse.
Die Choreographie der Kellner
Wir stoßen mit einem Glas Champagner (Jeaunaux-Robin) auf unsere Freunde an und dann beginnt die Choreographie der Kellner. In sehr kurzer Reihenfolge werden viele kleine Häppchen serviert. Sie alle eint, dass man sie mit den Händen essen kann. Deluxe-Snacks.
Fermentierte Karotten mit Wurst aus Undersåkers Chakuteriefabrik
Die Vorspeisen
Zuerst werden fermentierte Karotten und eine selbst hergestellte Wurst serviert, die an eine Mortadella erinnert. Die angenehm säuerlichen Karotten kommen sofort auf unsere Liste an Dingen, die wir zuhause nachmachen wollen.
Dann folgt eine kräftige Rinderbrühe (Mycelium broth), die am Tisch durch Mycelium (ein Pilzgeflecht) gefiltert wird. Unser erster Impuls ist, dass an der Brühe Salz fehlt, aber das stimmt nicht. Der Geschmack ist einfach nur ungewohnt, aber extrem komplex.
Dieses Gericht zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es ungleiche Texturen aufs Extremste zeigt. Die Masse (Leber), gemeinsam mit platzenden Beeren und dem getrockneten, hartem Kohl ergänzt sich nicht, sondern zeigt Unterschiede auf. Das spiegelt sich auch im Geschmack wider. Während die Masse süßlich ist, sind die Beeren sauer und der Kohl ist bitter. Das alles ergibt keine Einheit oder ist besonders wohlschmeckend, dennoch ist es sehr interessant.
Auf der Anrichte wird den Speisen der letzte Schliff gegeben, dann werden alle Speisen gleichzeitig serviert.
In der oberen Etage
Dann werden wir von der Kellnerin freundlich gebeten, nun ins obere Stockwerk zu gehen. Was klingt wie ein vollwertiges Menü, waren erst die Vorspeisen.
Im oberen Stockwerk erwartet uns ein nicht minder gemütlicher Raum. Kleine Fenster lassen das letzte Tageslicht herein. Es scheint auf die wenigen verteilten Tische. Insgesamt finden nur knapp 20 Gäste pro Abend Platz im Restaurant. Wie gesagt, Verknappung auf höchstem Niveau.
An den Wänden des Raumes sind einige getrocknete Würste und ein Fisch aufgehängt. Herzstück bildet jedoch ein großer Küchenblock, an dem sich die Kellner im Laufe des Abends immer wieder sammeln werden um den Speisen den letzten Schliff zu geben.
Einmarsch der Fäviken Signature Dishes
Das Gericht sieht einfach spektakulär aus. Ein großer Teller voller Moos, Heide und Gräser. Eine Hommage an die Landschaft von Jämtland. Darin ein großer Zweig Wacholder in dem ein Stück Kohle langsam durchglüht. Darauf eine riesige Jakobsmuschel.
Die Anweisung zum essen lautet „eat it from your hands, and then drink the juice”. Flo beschreibt den Geschmack als beinahe pilzig, ähnlich eines großen Steinpilzes. Dazu der Duft eines Urlaubs am Meer, kombiniert mit einem Räuchermännchen. Der Sud ist salzig frisch. Sogar für ihn ist die Muschel sehr groß und etwas überwältigend. Ich bin ganz froh, dass ich aufgrund meiner Abneigung gegen Meeresfrüchte ein Porridge serviert bekomme.
Zu diesem Gericht wird zum ersten Mal Sauerteigbrot mit feiner Butter serviert. Eigentlich hätte es nicht mehr sein müssen für einen kulinarischen Erfolg. Das Brot ist unfassbar gut.
Das trifft auch auf die frisch gesammelten Pfifferlinge mit Steinbeeren zu, die mir als nächstes serviert werden. Geschmack, wie die Natur ihn macht. Für Flo gibt es an dieser Stelle eine gegrillte Auster. Diese wurde wie ein Steak zubereitet und verfügt, einem kurzen Kuss auf der Hitze geschuldet, über eine knusprige Kruste. Eine ungewohnte Zubereitungsweise.
Sourdough pancake beef butter : mit reichhaltiger Butter, die auf der Zunge zergeht
Lupin curd gratin : In Schweden gibt es eine Menge Lupinen. Warum nicht Tofu daraus machen?
Mahogany clam with lingonberries: für mich gab es stattdessen Frischkäse mit Wurzelgemüse (welches ich leider nicht fotografiert habe)
A small egg coated in ash, sauce made of dried trout and pickled marigold : ein kleines cremiges Eigelb mit dezenter Asche-Note
Ein Sauerteig-Pfannkuchen mit Seetang und einer reichhaltigen Rinderbutter, ein aus Lupinen zubereiteter Tofu, eine 100 Jahre alte Islandmuschel mit Preiselbeeren und zuletzt Eier in Asche. A small egg coated in ash, sauce made of dried trout and pickled marigold ist ein weiteres dieser Signature Dishes im Fäviken. Für die Zubereitung wird eine alte isländische Methode verwendet, bei der unter Einsatz von Schafsdung Eier für 5 Stunden langsam gegart und getrocknet werden. Daraus resultiert eine cremige Eierkonsistenz.
From Nose to Tail und From Leaf to Root
Nun folgen zwei etwas größere Hauptspeisen. Zum einen ein Stapel Mangold mit kleinen Rhabarberblöckchen und einer Soße aus Hafer. Ein gemüsig frisches Gericht, das nur durch die Soße eine gewisse Schwere bekommt.
Zum anderen ein Stück Rindfleisch: Mountain Cow, Tasty Paste. Die hier verspeiste Kuh hat ein langes und glückliches Leben hinter sich, in dem sie Milch gegeben hat. Nilsson der in vielerlei Hinsicht den Nose to Tail Ansatz verfolgt, bei dem alle Teile eines Tieres verarbeitet werden, nicht nur die Filetstücke, setzt mit diesem Gericht ein Zeichen. Auch Milchkühe geben gutes und sehr schmackhaftes Fleisch.
Zu dem durchwachsenen und fettigen Stück Fleisch gibt es mit der sogenannten Tasty Paste eine Art Umami-Universalwürzpaste, die aus Kräutern und Pilzen besteht. Sie sorgt für eine Geschmacksverstärkung bei dem ansonsten komplett unbehandelten Fleisch.
Die Desserts
Die Kuh bildet das Finale des herzhaften Teiles des Abends. Als die Kellnerin, wie schon so häufig an diesem Abend, in die Hände klatscht, um sich die Aufmerksamkeit der Gäste zu sichern, kündigt sie eine erneute schnelle Runde vieler kleiner Desserts an.
Slices of raw Jerusalem Artichoke, darkly roasted cereals : Vom Colostrum ist mir leider kein Foto gelungen
Potato Dream ist ein kleiner Keks ganz aus Kartoffeln, angelehnt an den tarditionellen schwedischen Dream Cookie. Für diese Variante wird der Keksteig aus Kartoffelmehl hergestellt und mit einer Karamellschicht aus der Kartoffelstärke gefüllt. Eine süße Kartoffel-Inception.
Angenehm ist dabei nicht nur das Zusammenspiel von Süße und Säure, sondern auch die Konsistenz der weichen, warmen Erdbeere zu dem stückigen, gleichzeitig cremigen und kalten Käse. Sehr sehr lecker!
Mit diesem Gericht endet unsere Zeit im oberen Speisezimmer und wir werden wieder an unseren angestammten Platz im Untergeschoss vor dem Kamin platziert.
Reindeer and birch pie : Süß, auch wenn es nicht so klingt
Ein Abendessen in Schweden endet mit starkem Kaffee und einer Portion Snus
Hier werden die Portionen wieder klein und mundgerecht. Von einer Mini-Portion Himbeersorbet, geht es über flambierten Bone marrow Pudding, der wie ein sehr sehr starker Rumtopf schmeckt, zu Reindeer and birch pie. Diese Praline aus Rehfleisch wird durch Birkensirup zu einem süßen Dessert.
Pickled and semi-dried root vegetables : sehen ein bisschen nach Weingummi aus und schmecken auch ähnlich
Dann werden zahlreiche Süßigkeiten serviert. Eingelegte und dann getrocknetes Wurzelgemüse schmeckt ein bisschen wie Weingummi und könnte der nächste Trend nach Gemüsechips werden. Aromatisierte Samen von Senf, Koriander und mehr sind schön zum Knabbern und die Candybox mit Nougat aus Sonnenblumenkernen, getrockneten Johannisbeeren und geräuchertem Karamell ist sehr abwechslungsreich.
Die Getränke
Also noch schnell ein paar Süßigkeiten und ein großer Schluck Likör. In der Zwischenzeit wurde uns eine Auswahl selbstgemachter Spirituosen angeboten. Ich habe mich für Sour Creme Likör und Flo für einen Eierlikör entschieden. Eine sehr cremige Angelegenheit. Wie alle Milchprodukte, wieder von toller Qualität.
Insgesamt war die Weinbegleitung, die aus insgesamt 6 Gläsern bestand eine der besten, die ich bisher erlebt habe. Perfekt passend zu den Gerichten und sehr abwechslungsreich. Von Met aus Jämtland, über spannende Weine. Allen vorweg Autochtone, ein biodynamischer Wein von Julien Courtois.
A wooden box filled with tar pastilles, meadowsweetcandy, sunflower nougat, smoked caramel, dried angelica and dried black currants
Nach dem letzten Schluck Likör verabschieden wir uns von den Kellnern, lassen das Tippi vor der Tür links liegen, in dem Durchhaltestarke noch einen Schlummertrunk nehmen und wanken in unser Zimmer. Wir sind glücklich, mehr als satt und auch etwas erschöpft von all den Eindrücken.
Das Menü im Fäviken ist ein perfekt ablaufendes Prozedere, bei dem jeder Handgriff sitzt. Alles ist erprobt und kontrolliert. Dabei wirkt der Ablauf trotzdem nicht steif. Es ist fine dining ohne Schnörkel, gradlining, auf das Essen fokussiert, rustikal und trotzdem elegant. Vergleichbar mit skandinavischem Design.
Dabei ist die Zusammenstellung der Speisen eher mit einem Musikstück zu vergleichen, wegen des unterschiedlichen Tempos aber auch wegen der wechselnden Texturen, Konsistenzen und Geschmäcker. Manches ist schlicht, in anderen Gerichten stecken Unmengen an Wissen, Mühe und Experimentierfreudigkeit. Die Zutaten sind immer die besten und stehen oft genug für sich allein.
- Gaumenwertung 10/10
- Gesamterlebnis 10/10
„Unfassbar, wir können uns nichts besseres vorstellen!“
DETAILIERTE BEWERTUNG
Mira |
Flo |
Mira&Flo |
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Gaumen | 10,0/10 | Gaumen | 10,0/10 | Gaumen | 10,0/10 |
Getränke | 10,0/10 | Getränke | 10,0/10 | Getränke | 10,0/10 |
Atmosphäre | 10,0/10 | Atmosphäre | 10,0/10 | Atmosphäre | 10,0/10 |
Service | 10,0/10 | Service | 10,0/10 | Service | 10,0/10 |
Gesamterlebnis | 10,0/10 | Gesamterlebnis | 10,0/10 | Gesamterlebnis | 10,0/10 |