Maria Groß ist bekannt, weil sie nach nur knapp einem Jahr als Küchenchefin des Clara im Erfurter Kaisersaal einen Michelin-Stern erhalten hat. Und auch, weil sie öfter mal laut lachend im TV zu sehen ist. Das Clara hat sie mittlerweile längst hinter sich gelassen, denn seit 2015 führt sie ihr eigenes Restaurant, die Bachstelze.
Wir waren vor knapp einem Jahr schon einmal hier und waren ziemlich begeistert. Daher begleitet uns Benny ohne Widerwillen: Bereit seine Skepsis zu überwinden.
Der Biergarten der Bachstelze erwacht langsam aus dem Winterschlaf
Eine Reservierung in der Bachstelze ist Pflicht, denn aktuell ist dort ausschließlich das Bachstelzen-Menü erhältlich, welches es nur auf Vorbestellung gibt. Die Kosten dafür liegen bei 55-65€ p.P. – je nachdem welche saisonal erhältlichen Zutaten dafür eingekauft werden. Was genau auf den Tellern landet, bleibt somit vor dem Besuch ein Geheimnis, das auch am Abend nur bedingt gelüftet wird. Die Mitarbeiter sonnen sich in Unwissenheit und schieben alle Verantwortung auf Maria in der Küche. Ein bisschen Flexibilität auf der Seite der Gäste ist bei dem Überraschungsmenü somit gefordert.
Die Sonne versinkt gerade hinter den Bäumen des Steigers, als wir die Bachstelze erreichen und taucht das hübsche Haus, das schon seit 1931 als Ausflugslokal genutzt wird, in rot-goldenes Licht. Da heute schon ein Hauch von Frühling in der Luft liegt, wird uns der Aperitif im Biergarten serviert. Laternen sind erleuchtet und die ersten Frühlingsblumen stecken ihre Köpfe aus der kalten Erde. Flo und ich greifen beherzt zur alkoholfreien Variante, denn diese hat uns bei unserem letzten Besuch schon sehr geschmeckt.
Gereicht werden in der Bachstelze die alkoholfreien Priseccos der Manufaktur Geiger. Über 50 Sorten bietet der Betrieb aus der schwäbischen Alb an und keiner von ihnen steht den alkoholischen Vergleichsprodukten in ihrer geschmacklichen Komplexität nach. Es ist eine Getränkebegleitung, die sich wirklich sehen lassen kann und die ihr Geld wert ist. Keine Spur von blubberigen Getränken, die einfach wie eine Limo oder Schorle schmecken. Hier hat sich jemand ganz gezielt Gedanken gemacht und Getränke entwickelt, die sowohl alleine gut dastehen, als auch hervorragend mit Speisen korrespondieren.
Alkoholfreie Getränke sind eine sinnvolle Ergänzung zum Menü, denn die Bachstelze liegt im Stadtteil Bischleben, einige Kilometer außerhalb der Erfurter Innenstadt. Ohne Auto hierher zu kommen ist schwierig.
Der Gastraum der Bachstelze lädt zum Wohlfühlen ein
Wir genießen leicht fröstelnd unser Getränk und betrachten den Sonnenuntergang. Dieses Jahr wird der Biergarten im Sommer nicht geöffnet. Erst vor kurzem hat die Bachstelze ihr Konzept verändert und diesen Punkt gestrichen. Stattdessen gibt es ab jetzt jeden zweiten Sonntag den Sonntagsklub, bei dem in lockerer Atmosphäre und mit Musik à la Carte Gerichte und saisonale Kleinigkeiten genossen werden können.
Im Gastraum der Bachstelze ist es kuschelig. Nicht nur, weil es hier wärmer ist, sondern auch weil es hier einfach herzlich zugeht. Bachstelzen-Pudel Friedrich macht es sich auf dem Boden gemütlich, die Gäste plaudern entspannt und freuen sich auf das bevorstehende Menü.
Matthias, Marias Partner, eröffnet den Abend und erklärt Grundsätzliches:
- Hier kommen regionale und saisonale Lebensmittel auf den Tisch.
- Maria bereitet diese zu und was genau sie daraus zaubert, weiß nur sie allein.
- Wenn jemandem etwas nicht passt, dann soll er bitte gehen.
- Liebe ist die Devise.
- Serviert werden alle Speisen in Portionen für den gesamten Tisch, jeder nimmt sich, was er möchte und lässt liegen, was ihm nicht passt. Family-Style nennt er das.
- Es gibt tatsächlich eine Wein-Flatrate. Nur so für den Fall, dass jemand uneingeschränkt genießen möchte.
Unsere Fünfergruppe fühlt sich schon wie zuhause, als zum Start drei Sorten Brot (Zwiebel, Kümmel, Kurkuma) gereicht werden. Mit Butter, Sauerrahm und Kresse zum Selberschneiden. Dazu zwei Möhren. Das gerecht aufzuteilen, fördert die Kommunikation am Tisch und wäre auch eine gute Übung in einem Assessment Center.
Für den Verlauf des Menüs entscheiden wir uns für die korrespondierende Wein-/Getränkebegleitung für 23€, die uns zum Start einen Weißburgunder aus 1. Lage vom Weingut Böhme & Töchter beziehungsweise den alkoholfreien Cuvée 31 mit Grüntee, Wiesenobst und Gartenmelisse beschert.
Als wir unser Brot verpeist haben, schielen wir zum Nachbartisch: die lassen das doch wohl nicht übrig?!
Die Vorspeisen:
Dann folgt der erste Gang, der, so will es das Konzept, wiederum eigentlich aus mehreren Gängen besteht. Jedem Gast wird ein Schüsselchen mit einem pochierten Ei, herrlich frischen grünen Erbsen und grünem Spargel sowie stark limettigem Quinoa, Bärlauchmousse und Brunnenkresse serviert. Dazu gibt es eine dicke Gemüsesuppe.
Diese Variante einer Buddha Bowl ist leicht und frühlingshaft. Das Gemüse ist frisch und knackig und steht völlig für sich allein. Das würzige Bärlauchmousse gibt einen angenehmen Kick. Das zerlaufende Ei verbindet alle Elemente miteinander. Ein toller Auftakt.
Zweiter Teil vom 1. Gang ist ein knackiger Salat aus Radieschen, Babyspinat, Brunnenkresse, Birne, Radicchio oder rotem Chicorée – serviert mit einem tollen Senfdressing. Dazu ein ganzes Brot mit Chiasamen (oder Mohn?), das uns an einen riesigen fluffigen aber herzhaften Germknödel erinnert und welches sich hervorragend eignet, um in das Salatdressing zu dippen. Auch hier sind alle Zutaten so frisch und geschmackvoll, das dieser „einfache“ Salat ein echtes Geschmackshighlight ist. Etwas verspätet werden uns außerdem noch selbst eingelegte Essiggurken serviert.
Auch hier trägt es zum Wohlgefühl bei, dass wir unser Brot selber schneiden, den Salat aus der Schüssel verteilen und wir zusammen essen, ganz genau so, wie wir es auch zuhause tun würden. Die Atmosphäre in der Bachstelze ist Lichtjahre von steifer Sterneküche entfernt, obwohl Maria Groß weiterhin auf diesem Niveau kocht.
Die Brunnenkresse ist eine echte Erfurter Spezialität und wird ganz in der Nähe angebaut
Der Hauptgang:
Bevor der Hauptgang auf dem Tisch landet, werden unsere Gläser erneut gefüllt. Dieses Mal mit Mandrarossa Timperosse, einem Petit Verdot aus Sizilien sowie dem alkoholfreien Cuvée 13. Dieser enthält mit Lemberger und Zweigelt zwei Traubensorten sowie rote Bete. Das macht ihn zum idealen Begleiter für das nun folgende Lammgericht. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass Matthias, der in der Bachstelze für den Wein zuständig ist, die alkoholische Variante noch ein bisschen mehr schätzt, wächst meine Begeisterung für die alkoholfreien Getränke mit jedem Gang. Mit der alkoholfreien Getränkebegleitung aus dem Horváth kann es zwar nicht mithalten, aber die Bachstelze belegt in meiner Kopf-internen Rangliste in dieser Kategorie ganz klar Nummer 2.
Der Anblick der nun servierten Lammhüfte macht uns etwas euphorisch. Was nun serviert wird, sieht toll aus. Neben dem Fleisch gibt es eine Gemüsepfanne mit Schoten, Karotten und Pilzen, ein Kartoffelgratin und einen Saucentopf mit geschmorter Lammschulter in kräftiger Soße. Ein bisschen losgelöst von Rest gesellt sich auch noch ein Schälchen mit würziger Salsa dazu.
Das Lammfleisch wird von der Thüringer Initiative Weidewonne bezogen, die sich für naturnahe Landschaftspflege durch Beweidung einsetzt
Das Lammfleisch ist wahnsinnig zart, hat wenig vom typischen Lammgeschmack, sondern erinnert eher an Rind. Mir schmeckt es am besten ganz pur und nur mit ein wenig Meersalz verfeinert. Ganz neue Geschmacksrichtungen erhält es sowohl in der Kombination mit der Lammsoße als auch mit der Salsa. So wird ein Gericht ganz einfach zu dreien.
Vor allem die Salsa verändert viel. Man könnte sagen, dass sie nicht zum Rest passt, aber das macht eigentlich auch nichts, denn zum Lamm schmeckt sie toll und das genügt definitiv als Daseinsberechtigung.
Auch beim Saucentopf lohnt es sich den Deckel zu lüften. Die sich darin befindenden Fleischhappen sind merkbar von einem anderen Teil des Tieres und sind deutlich fettiger als die Hüfte. Die Soße ist kräftig, sehr reduziert und wir vermuten einen Kakaoanteil in ihr. Unsere Fragen bleiben wie immer unbeantwortet – Maria kocht, der Kellner zuckt die Schultern, wir genießen. Und spekulieren, rätseln und beschäftigen uns dadurch intensiv mit den Zutaten.
Unfassbar knackiges Gemüse und ein bräunliches Fragezeichen. Sind das vielleicht Pilze? Wir sind uns mal wieder nicht sicher
Zum letzten Gang trinkt Flo eine Muscaris Auslese aus dem Saale-Unstrut Gebiet und ich eine weitere Geiger-Kreation: Mostbirne, Apfel, Kaffee. Ein weiteres erstaunliches Getränk, das eine starke Tabaknote enthält. Auch der Muscaris ist spannend, denn er schmeckt wie ein Portwein, nur das das Brennen im Nachgang ausbleibt. Die Getränkebegleitungen sind beide definitiv toll ausgewählt und meiner Meinung nach sehr empfehlenswert.
Das Dessert:
Beim Dessert haben wir die Wahl zwischen Käse und einer süßen Köstlichkeit. Flo und ich wollen natürlich beides ausprobieren also lässt er sich vom kompetenten Mitarbeiter beraten und entscheidet sich für einen Parmesan aus Mailand und einen milden Blauschimmelkäse. Dazu selbstgekochte Sauerkirschkonfitüre und eine fermentierte Walnuss, die intensiv nach Nelke schmeckt.
Das süße Dessert stellt sich als Rhabarber-Soufflé mit Sahne-Eis heraus. Obwohl diese Zutaten all meine Süßspeisenvorlieben vereinen, ist dieser Gang in seiner Gesamtheit der für mich schwächste. Es ist lecker, aber das Wow-Erlebnis bleibt aus. Das gilt für die Süßspeise und auch für den Käse.
Eine Digestif-Auswahl wird uns anschließend im Bauchladen vorgestellt: die Auswahl ist spannend und bunt gemischt und obwohl mich ein alkoholfreier Trink-Essig anlacht, passe ich dieses Mal.
Das interessanteste Geschmackserlebnis dieser Käseplatte: eine fermentierte Walnuss
Fazit:
Ich glaube Benny hat seine Meinung zur Bachstelze schon nach dem leckeren, selbstgebackenen Brot revidiert. Mir jedenfalls hat der Besuch in der Bachstelze dieses Mal noch besser gefallen als letztes Mal. Damals hatten Flo und ich ein ziemliches Luxusproblem: es war einfach zu viel. Zu viele verschiedene Komponenten pro Gang, zu viele unterschiedliche Geschmäcker und zu viel Menge. Das hat dieses Mal deutlich besser gepasst. Die Gänge waren harmonisch und in der Fünfergruppe war es schön alle Speisen zu teilen. Die Zubereitung war perfekt und die Getränke stimmig.
Damals hatte uns Matthias erklärt, dass die Gänge auch so üppig sind, weil viele Thüringer sich schwertun mit schickem Essen und Angst vor kleinen Portiönchen haben. Vermutlich ein gerechtfertigter Gedanke. Trotzdem bin ich froh, dieses Mal nicht kurz vorm Platzen zu stehen (oder wohne ich mittlerweile schon zu lange in Thüringen?).
Neben dem Kaisersaal, in dem Maria einst ihren Michelin-Stern erkochte, ist die Bachstelze wohl die beste Adresse in Erfurt. Obwohl das Konzept auf Lockerheit und familiäre Gefühle ausgelegt ist, sind Qualität, technische Umsetzung und Service auf einem ganz hohen Niveau. Dafür ist es nun mal nicht notwendig für jeden Gang neue Teller zu bekommen.
Das Beste vom Spaghettieis ist eh die gefrorene Sahne und die funktioniert auch nur mit Himbeeren.
Mir gefällt es außerdem gut, dass jeder Gang am Tisch erklärt wird und wir so interessante Infos dazu erhalten, was wir essen (teilweise zumindest) und wo es herkommt. Dass allen Gästen mehr oder weniger gleichzeitig die einzelnen Gänge serviert werden, finde ich beachtlich. Auch das fördert meines Erachtens nach das Gemeinschaftsgefühl in der Bachstelze.
Ich mag außerdem die Atmosphäre und den Look der Bachstelze. Das Haus und der Gastraum sind wunderschön und toll eingerichtet. Ich mag es, dass man beim Gang zur Toilette kurz am Regal voller Kochbücher stoppen kann und überall Fotos von Maria und Matthias hängen. Dadurch ist es ein bisschen, wie bei Freunden zu Besuch zu sein.
Das Preis-Leistungsverhältnis für das Menü finde ich angemessen. Unser Tisch hätte sich einzig eine klarere Kommunikation bezüglich der Preise von Aperitif und Digestif gewünscht. Einige Personen aus unserer Gruppe waren davon ausgegangen, dass der Aperitif zum Menü dazugehört und waren dann etwas erschrocken über den Preis von 7€ pro Glas (das auch fröhlich nachgeschenkt wurde). Dieser Schreck wurde jedoch noch davon übertroffen, dass einer der georderten Digestifs mit 16€ zu Buche schlug. Natürlich kann man als Gast einfach fragen und als gehobenes Restaurant einfach davon ausgehen, dass solche Preise anstandslos hingenommen werden. Dennoch ist es immer schöner, wenn der letzte Moment im Restaurant nicht durch negative Gefühle geprägt wird und das funktioniert in der Regel am besten durch gute Kommunikation.
Bevor es heimwärts geht, erkundigt sich Maria noch bei allen Gästen nach ihrem Wohlbefinden und verabschiedet sich dann. Bis bald! Wir kommen bestimmt wieder in die Bachstelze, sei es zum Fine-Dining Menü (98€), welches diesen Sommer angeboten wird, zum Sonntagsklub oder zu einer der anstehenden spannenden Veranstaltungen.
Restaurant Bachstelze
Hamburger Berg 5
99094 Erfurt
http://www.mariaostzone.de/
UPDATE:
Was gibt’s mittlerweile neues in der Bachstelze?
Das Grundprinzip ist das Gleiche, aber wenn ihr Lust auf frische Eindrücke (und schönere Fotos) habt, dann schaut mal hier.
Gemeinsam mit Thüringen Entdecken haben wir einen wunderbaren Sommerabend in der Bachstelze verbracht.
- Gaumenwertung 8,8/10
- Gesamterlebnis 8,9/10
„Sensationell, wir wollen nicht aufhören zu essen!“
DETAILIERTE BEWERTUNG
Mira |
Flo |
Mira&Flo |
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Gaumen | 8,5/10 | Gaumen | 9,0/10 | Gaumen | 8,8/10 |
Getränke | 9,5/10 | Getränke | 9,5/10 | Getränke | 9,5/10 |
Atmosphäre | 9,0/10 | Atmosphäre | 8,0/10 | Atmosphäre | 8,5/10 |
Service | 9,0/10 | Service | 9,0/10 | Service | 9,0/10 |
Gesamterlebnis | 8,8/10 | Gesamterlebnis | 9,0/10 | Gesamterlebnis | 8,9/10 |